Davide Morosinotto: Shi Yu - Die Unbezwingbare (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 01. März 2022 11:14

Davide Morosinotto
Shi Yu - Die Unbezwingbare
(La Più Grande, 2020)
Übersetzung: Dr. Cornelia Panzacchi
Titelbild: Rébecca Dautremer
Innenillustrationen: Timo Kümmel
Thienemann, 2022, Hardcover, 506 Seiten, 20,00 EUR (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Carsten Kuhr
Wir lernen unsere Erzählerin im zarten Alter von sechs Jahren kennen. Als Waise ohne Heim muss sie schon in diesem jungen Alter für ihren Lebensunterhalt arbeiten - und froh sein, dass sie in der Schenke inmitten Kantons die Gäste bedienen, in der Küche helfen und den Boden wischen darf.
Eines Tages begegnet ihr ein fast gleichaltriger Junge, der eine zu Boden fallende Schale mit dem Fuß auffängt - wie nur hat er dies bewerkstelligt, wie kann er sich so dermaßen schnell bewegen? Sie sucht seine Bekanntschaft und wird von dessen Großvater, einem alten Trunkenbold, der früher einmal die Palastwachen trainiert hat, ausgebildet.
Ein paar Jahre später wird ihr Lehrer von einem anderen Meister ermordet, sie selbst von die Kaschemme heimsuchenden Piraten auf deren Schiff entführt. Mit neun Jahren ist sie zu jung, um einem der Besatzungsmitglieder als Frau gegeben zu werden; dem drohenden Tod kann sie durch ein Duell, das sie aufgrund ihrer Fähigkeiten für sich entscheidet, gerade so entgehen.
In den nächsten Jahren weitet sie ihr Wissen um die Seefahrt wie auch ihre Kampfeskünste weiter aus - bis sie eines Tages, als Dank für die Rettung des Anführers, ihr eigenes Schiff erhält - Shi Yu ist Piratin und startet eine Karriere, die ebenso einzigartig, wie erfolgreich ist…
Kennen Sie die Kung-Fu-Filme aus chinesischer Produktion? Streifen, in denen die Kämpfer durch die Luft fliegen, Wände hochlaufen und mittels einfacher Berührungen ihre Gegner ausschalten? Nun, dann hätte ich da eine Empfehlung für sie. Ein Buch von einem Piraten, genauer gesagt, einer Piratin in fernöstlichen Gewässern, ein Schmöker allererster Kajüte.
Und der Verlag hat sich mächtig ins Zeug gelegt. Das nicht unbedingt aussagekräftige Cover einmal außen vor gelassen, erwartet den Leser im Innenteil ein von Timo Kümmel kongenial gestaltetes Buch - die Seiten wurde auf alt getrimmt, Vignetten und Illustrationen lockern den Text auf.
Der Plot selbst überrascht zunächst - nicht nur, dass es statt der Karibik, die eigentlich das Nonplusultra eines jeglichen Freibeuter-Romans darstellt, in die chinesische Küstenregion rund um Macau und Hongkong nebst Kanton geht, auch die Wahl der Erzählerin macht zunächst sprachlos.
Ein junges Mädchen, eine Waise - klein gewachsen aber mutig, fleißig und durchsetzungsfähig - erwartet uns. Phantastische Szenen sind Mangelware, außer wenn man das durch die Luft segeln als übernatürlich ansehen mag, der Fokus liegt ganz auf der uns so unbekannten fernöstlichen Welt, in der die Langnasen noch kaum eine Rolle spielen, in der Emanzipation schlicht unbekannt ist. Und genau da setzt der Autor an, präsentiert uns seine Protagonistin, die allen Widerständen und Gegnern zum Trotz gewitzt und schlagfertig ihren Weg geht. Und so begleiten wir sie durch ihr Leben, das sich an dem einer realen Figur orientiert, das jede Menge Aufregung und gefährliche Situationen für uns bereithält, das aber auch ruhige Momente hat.
Der angepeilten Altersgruppe angepasst, ist die verwendete Sprache stilistisch eher einfach gestrickt, steht die Action ganz im Vordergrund, in der zum Glück nie die Gewalt in den Mittelpunkt rückt, sondern der Fokus immer auf den Figuren bleibt.
Das ist bestes Abenteuer-Garn, das liest sich wunderbar packend und stimmig, zumal die Handlung wohl auch endlich einmal in diesem einen Band abgeschlossen wurde.