Alisha Bionda (Hrsg.): Dark Poems (Buch)

Alisha Bionda (Hrsg.)

Dark Poems
Schwarze Phantastik illustriert von Mark Freier

Titelbild & Innenillustrationen: Mark Freier

Arunya, 2017, Hardcover, 244 Seiten, 14,90 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Elmar Huber

Alisha Bionda, die schon des Öfteren die Bilder einer Künstlerin/eines Künstlers von ausgewählten Autoren ‚betexten‘ ließ (so geschehen bei „Dark Ladies“ oder „Am Ende des Weges“), hat diesmal aufgerufen, ausgewählte Werke des Münchner Grafikers Mark Freier in Prosa zu gießen. Mark Freier sollte dem Phantastik-Leser beileibe kein Unbekannter sein, sind doch seine Motive seit über fünfzehn Jahren nicht mehr aus der deutschen Fantastik-Landschaft wegzudenken. 

 

Barbara Büchner: „Die Männerfresserin“
An der Tür des trotz seines fortgeschrittenen Alters stets lüsternen Richard de Marechal klopft eines Tages eine Frau in Not mit ihrem Sohn Noël. Ein halbes Jahr später ist sie die neue Schlossherrin und Noël der Adoptivsohn des Alten. Doch gibt es noch einen Enkel des Comte, der zwar Mönch ist, doch keineswegs gewillt, ein etwaiges Erbe auszuschlagen. Und der Mönch hat Einiges über die schöne Comtesse in Erfahrung gebracht, deren bisherige Männer reihenweise den Tod gefunden haben.

Vincent Voss: „Nachbarn“
Die neuen Nachbarn kommen Sandro sofort suspekt vor, schon bevor er beobachtet, dass der Spalt unter ihrer Haustür alle Fliegen der Umgebung scheinbar magisch anzieht. Schon bevor er von dem Ehepaar nackt an der Haustür begrüßt wird, weil in der Wohnung offenbar eine Orgie im Gange ist, und schon bevor Frau Finsers Babybauch, von dem beim Einzug noch nichts zu sehen war, in scheinbar rasender Geschwindigkeit wächst.

Jörg Kleudgen: „Narbenherz“
Gerade noch sieht der Autor Frank Meier eine seltsame Gestalt vor seinem Fenster, als er ohnmächtig zusammenbricht. Er erwacht in einer Welt wieder, die mehr an das Chicago der 1920er Jahre erinnert als an die Gegenwart. Die Personen dort scheinen auf Meier gewartet zu haben. Sie nennen ihn „Narbenherz“, der Mann, dessen Kugel nie ihr Ziel verfehlt, und sie haben einen Auftrag für ihn.

David Seinsche: „Lapua“
Der junge Thomas interessiert sich nur herzlich wenig für die Vorbereitungen zum Jahrestag einer kleinen Katastrophe, die das finnische Dörfchen Lapua vor vierzig Jahren heimgesucht hatte. Doch ausgerechnet ihm erscheint die „Weiße Frau“, deren Mann damals den verheerenden Fabrikunfall ausgelöst haben und die anschließend von den Dorfbewohnern getötet worden sein soll.

Faye Hell: „Alma Mater - Blutlinie“
Auf mysteriöse Weise taucht der geheimnisvolle Damian plötzlich in der Praxis der Psychotherapeutin Cathrin auf. Sie nimmt den Fremden als Patienten an, verfällt ihm immer mehr, und sogar als er sich als Vampir zu erkennen gibt, wendet sie sich nicht von ihm ab.

Markus K. Korb: „Die dunkle Schwärze“
Die beiden Hobby-Gespensterjäger Heiko und Sandra mieten sich im englischen Harlaxton Manor ein, wo sich hundert Jahre zuvor die Hausherrin aufgehängt hat. Seit dieser Zeit soll es in dem Anwesen spuken. Die aktuelle Hausherrin macht ihre Gäste gleich mit der besonderen, undurchdringlichen Dunkelheit in dem Gebäude bekannt, die sich vom Hass der Hausbewohner nährt. Und bei Haiko und Sandra ist davon reichlich vorhanden.

Florian Hilleberg: „Familaris“
Andreas Meiringer, Müllmann und Hobby-Satanist, fängt mit selbstgebauten Fallen die Katzen der Umgebung ein, die er als Opfer für seine Rituale benötigt. Doch ein Exemplar seiner letzten Beute scheint selbst, mit dem Teufel im Bunde zu stehen.

Tobias Bachmann: „Spiegel der Seele“
Auf dem Heimweg von der Beerdigung seiner Freundin Soul bemerkt er, dass er seinen Wohnungsschlüssel verloren hat. So führt ihn sein Weg dank eines Zweitschlüssels in Souls Wohnung, wo er gedankenverloren ihre Kunstwerke betrachtet und ein Selbstbildnis der Künstlerin auf einem Spiegel findet.

Mark Freier: „Die Wiedergeburt“
Im Winter 1967 laufen am Münchner Residenztheater die Vorbereitungen für das Bühnenstück „Der Tod trägt Schwarz“ nach einer unbedeutenden Schauer-Novelle eines zurecht ebenso unbekannten Schriftstellers. Doch gelang es der dekadenten Theaterleitung, für die Inszenierung den nicht minder exzentrischen Star-Regisseur Bruno Stolinski zu gewinnen, und der Premierenabend wird zu einem beispiellosen Erfolg.

Frank G. Gerigk: „Sohn der Düsternis“
Allein mit ihrem Baby zieht Lacrima durch das vom Krieg zerstörte Land zwischen den Karpaten und der Donau, über verbrannte Ernte und vorbei an ganzen Feldern gepfählter Muslime, deren verrottende Leichname zum Himmel stinken. Ihr Kind selbst zu nähren, ist sie schon lange zu schwach, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Lacrima keine Kraft mehr hat, den Kinderwagen zu ziehen. Da kommen die edle Dame und ihr Begleiter, die überraschend den Weg von Mutter und Sohn kreuzen, wie gerufen.

Guido Krain: „Schwesterchens Dunkelheit“
Schon zu ihren Lebzeiten war die ‚immersüße‘ Lisa für ihre zwei Jahre ältere Schwester Tabea ein leidenschaftliches Hassobjekt. Nun, nachdem sie nach einem ‚Unfall‘ in Tabeas Zimmer nur noch wie ein Zombie vegetiert und ihrer Schwester nicht mehr von der Seite weicht, sehen alle in Tabea die opferbereite Heldin. Bis die Gewissheit siegt, dass sie mit dem treudoofen Lisa-Zombie an ihrer Seite nie ein eigenes Leben wird führen können.


Schon der erste Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt eine ganze Reihe Autorinnen und Autoren, die Mark Freier bereits künstlerisch begleitet hat und die damit wohl prädestiniert sind, eine solche Anthologie zu bestreiten. So hat er bereits für Markus K. Korb (jüngst „Spuk!“), Faye Hell („Keine Menschenseele“, „Tote Götter“), Jörg Kleudgen („Totenmaar“, „Necrologio“) und Barbara Büchner („Das Haus am Waldrand“) ganz phantastische Cover geschaffen. Nicht zuletzt die Herausgeberin selbst, für die der Künstler die Gestaltung von „Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik“, an der Alisha Bionda als Hauptautorin beteiligt war, realisiert hat, neben vielen anderen gemeinsamen Projekten.

Außerdem ist Mark Freier mit einem seiner seltenen Texte vertreten, der wegen eines angenehm antiquierten und exakten Sprachduktus gefällt und eine wunderbar dekadente und rätselhafte Stimmung heraufbeschwört. Eines der Highlights des Bandes. Da kann man nur hoffen, dass Mark Freier eine eigene Geschichtensammlung in Planung hat.

Insgesamt zeichnet sich „Dark Poems“ durch thematische und stilistische Vielfalt aus. Es ist spannend zu sehen, zu welch unterschiedlichen Gedanken und Stimmungen die einzelnen Autorinnen und Autoren durch die jeweiligen Vorlagen inspiriert wurden. Altertümlich, modern, märchenhaft, dramatisch, böse, hoffnungsvoll - es ist alles vertreten. Jörg Kleudgen betritt sogar die persönliche Ebene und erfindet mit seinem Helden Frank Meier (sic!), der auf der Schwelle zwischen Leben und Tod wandelt, ein Alter Ego Mark Freiers, der ebenfalls vor einigen Jahren mit ernstzunehmenden gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte.

Das Buch kommt vom Arunya-Verlag als schmuckes, handliches Hardcover im Format 12,5 x 20 cm. Selbstredend sind die Bilder, die die Inspiration für die Beiträge liefern, jeder Geschichte vorangestellt, so dass „Dark Poems“ ein schönes, rundes Paket und eine einmalige Widmung an den Künstler geworden ist.