Black Widow Anthologie - Agentin und Avenger (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Montag, 31. Januar 2022 15:37
Black Widow Anthologie - Agentin und Avenger
(Tales of Suspense (1959) 52 (I), Amazing Spider-Man (1963) 86, Daredevil (1964) 81+90+ 91, Marvel Team-Up (1972) 83-85, Bizarre Adventures (1981) 25 (I), Marvel Fanfare (1982) 10 (II), Black Widow (1991) 1, Black Widow (2004) 1, Secret Avengers (2010) 2, All-New Marvel NOW! Point One (2014) 1 (IV), Black Widow (2014) 1, Black Widow (2016) 3)
Text: Chris Claremont, Ralph Macchio, Devin Grayson
Titelbild: Adi Granov
Zeichnungen: Don Heck, John Romita Sr., Gene Colan u.a.
Übersetzung: Michael Strittmatter, Marc-Oliver Frisch, Uwe Anton, Carolin Hidalgo
Sekundärtexte: Christian Endres
Panini, 2020, Hardcover, 324 Seiten, 29,00 EUR
Rezension von Irene Salzmann
Natalia Alianovna „Natasha“ Romanova ist weder die erste Black Widow bei Marvel noch die einzige dieses Namens, denn es gibt eine frühe Vorgängerin (1940), mehrere Alternativ-Versionen (Alternate Universe) und vorübergehend eine Nachfolgerin (Yelena Belova, 1999) gleichen Namens. In den vergangenen Jahren hat die Figur neben weiteren Medien auch die Leinwand erobert, verkörpert von Scarlett Johansson („Der Pferdeflüsterer“, „The Spirit“, „Ghost in the Shell“ etc.).
Geschaffen wurde Black Widow von Stan Lee (Herausgeber, Autor), Don Rico unter dem Pseudonym N. Koroc (Autor) und Don Heck (Zeichner). Ihren ersten Auftritt hatte sie 1964 in „Tales of Suspense“ 52. Konzipiert als sowjetische Spionin fungierte sie zunächst als Gegenspielerin Iron Mans. Schließlich setzte sie sich in die USA ab und wurde, um ihre Taten zu sühnen, eine Kämpferin für das Gute als S.H.I.E.L.D.-Agentin, Mitglied bei den Avengers, Champions, Heroes for Hire, Thunderbolts und anderen Superhelden-Gruppierungen.
Ihre erste eigene achtteilige Serie erschien 1970/1971 in den Flip-Books „Amazing Adventures“ 1 bis 8. Seither hatte Black Widow immer wieder Gastauftritte in verschiedenen Titeln, bildete mit anderen Helden vorübergehend ein Team (Daredevil and the Black Widow) oder agierte in Mini-Serien, die teilweise in Reihen wie „Marvel Fanfare“, „Journey into Mystery“ und „Marvel Knights“ publiziert wurden. Erst 2010 sollte sie wieder eine von mehreren fortlaufenden Serien erhalten.
Zunächst trat Black Widow in schicker (Abend-) Kleidung auf. Das erste Kostüm mit Netzeinsätzen und Cape erhielt sie 1967 in „Avengers“ 36. 1970 in „Amazing Spider-Man“ 86 tauschte sie dieses gegen die erste Version ihres schlichten Bodysuite. Sie verfügt über keine Superkräfte, sondern ist eine ausgebildete Spionin und trainierte Athletin mit handlicher Bewaffnung (Widow‘s Bite). Im Rahmen des Black-Widow-Programms wurden ihr Alterungsprozess verlangsamt und ihr Immunsystem/Selbstheilungsvermögen gesteigert.
Laut ihrem Lebenslauf war Natasha mit dem sowjetischen Testpiloten und späteren Red Guardian Alexei Shostakov (getötet in „Avengers“ 43/44) verheiratet. Darüberhinaus unterhielt sie Beziehungen zu unter anderem Hawkeye (Clint Barton), Daredevil (Matt Murdock) und Hercules.
In der vorliegenden Anthologie werden sowohl einige wichtige (unter anderem auch oben genannte) Stationen im Comic-Leben der Black Widow präsentiert, als auch ihre optische und charakterliche Weiterentwicklung aufgezeigt. Darüberhinaus darf der Leser die Fortschritte bei den Erzähl- und Zeichentechniken im Laufe von rund 55 Jahren verfolgen.
Die Unterschiede zwischen den 60er Jahren und jetzt sind deutlich, nicht zuletzt durch längere, härtere Storylines mit Nebenschauplätzen in anderen Serien sowie den Einsatz von Computerprogrammen (Kolorierung) und mehr Mut zu experimentellen Gestaltungsweisen.
Beispielsweise findet man Black Widows Debüt in „Tales of Suspense“ 52. Angesetzt auf Playboy Tony Stark sorgt sie für genug Ablenkung, dass Iron Man beinahe von Crimson Dynamo besiegt wird.
In „Amazing Spider-Man“ (1963) 86 wird Abschied genommen vom alten Kostüm der Black Widow. In ihrem neuen Outfit greift sie einen geschwächten Spider-Man an, weil sie das Geheimnis seiner Kräfte erfahren möchte, um aus seinem ‚Spinnen-Schatten‘ heraustreten zu können. Die Lehre, die sie daraus zieht, lautet, dass sie ihren eigenen Stil finden muss.
In einigen Episoden ab „Daredevil“ (1964) 81 und „Marvel Team-Up“ (1972) 83 steht Black Widow diesem Helden immer wieder zur Seite, begreift jedoch, dass sie kein Sidekick sein möchte und auch privat andere Vorstellungen von ihrer Beziehung hat. Als sie erneut manipuliert wird und wieder zu sich selbst zu finden versucht, wird sie von Spider-Man unterstützt, und beinahe hätte sich eine Romanze zwischen ihnen angebahnt.
„Bizarre Adventures“ (1981) 25 (I) erweist sich als eine Hommage an den Krimi Noir und Humphrey Bogart, gezeichnet in Schwarz-Weiß.
In „Marvel Fanfare“ (1982) 10 (II) holt die Vergangenheit Black Widow ein, von der sie auch später in ihren eigenen Serien oder als Mitglied eines Teams nicht losgelassen wird.
Dem Zeitgeist geschuldet werden die Missionen der Protagonistin gefährlicher und tödlicher. Sie muss viel einstecken, und am Ende verlässt der Gegner nicht immer lebend den Platz des Showdowns. Über die Jahre hinweg haben sich die „Black Widow“-Reihen zu düsteren, gewaltreichen Comics entwickelt, die nicht mehr durch Romanzen verwässert werden und in einem Atemzug mit Titeln wie „Punisher“, „Moon Knight“ und „Wolverine“ genannt werden dürfen.
Diese Anthologie ist ein interessanter Querschnitt, der freilich nur ausgewählte Meilensteine aufgreifen kann, jedoch eine gute Vorstellung von der Fortentwicklung der Black Widow gibt, ergänzt durch interessante Hintergrundinformationen von Christian Endres.