Regine Kölpin: Mörderische See (Buch)

Regine Kölpin
Mörderische See
dp Verlag, 2021, ebook, 4,99 EUR

Rezension von Elmar Huber

Der betagte Immobilienkaufmann Hartmut Meckenwald wird eines Morgens tot in seinem Büro aufgefunden. Ein unpassend billiger Schal, mit dem er offensichtlich erwürgt wurde, lässt die Polizei den späten Besuch einer Prostituierten vermuten. Die Polizei kann die Dame ermitteln, die kurz darauf ebenfalls tot aufgefunden wird.

Parallel dazu erhält Birthe, Meckenwalds Schwiegerenkelin, Briefe von Unbekannt zugespielt. Es handelt sich um die Tagebuch-Aufzeichnungen einer gewissen Anna, die 1943 als polnische Zwangsarbeiterin auf einem deutschen Bauernhof arbeiten musste, wo die Menschen aus dem Osten schlimmer als das Vieh behandelt wurden. Die verbotene Liebschaft mit einem Deutschen blieb nicht ohne Folgen, und immer mehr kristallisiert sich ein Zusammenhang der Ereignisse damals und heute heraus.

 

Was der dp Verlag bei dieser Wiederveröffentlichung betreibt, ist schon eine Art Etikettenschwindel. Der neue Titel (Originaltitel: „Vergangen ist nicht vorbei“), das Cover-Motiv und der Zusatz „Ein Nordsee-Krimi“ lassen stark einen Regionalkrimi erwarten, der zumindest ansatzweise, zwecks Atmosphäre, Küstenluft atmet. Tatsächlich ist der Handlungsort für diesen Krimi noch nicht einmal zweitrangig, sondern komplett egal. Vielmehr geht es um ein Verbrechen, das seine Wurzeln in der Nazi-Zeit hat, als polnische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Deutschland bis zum Umfallen schuften mussten.

Autorin Regine Kölpin zieht die Story gut auf, vermischt die Exposition mit der Figurenvorstellung und weiß, die Personen schnell und ausreichend individuell zu charakterisieren. Daraus ergeben sich auch einige Motivlagen, zum Beispiel ist natürlich der Enkel Carsten verdächtig, der das florierende Unternehmen erben wird, aber auch die langjährige Sekretärin verfolgt eine geheime Agenda.

Die Briefe an Carstens Frau, die nach und nach eine dramatische Vergangenheitsgeschichte aufbauen, bringen eine weitere Ebene in den Roman, und man ahnt bereits, dass dies am Ende mit der Gegenwart zusammenläuft. Das Wie bleibt jedoch lange Zeit geschickt verschleiert.

Genretypisch und natürlich dem Mord geschuldet, kommt eine Kommissarin in der Story vor, die entgegen den anfänglichen Erwartungen nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Die Story-Entwicklung und -Aufdröselung erfolgt rein über die Figuren aus dem Umfeld des Opfers.

Dabei springt die Handlung in schneller Folge zwischen den Charakteren, die mit ihrem Denken und Wirken im Großen und Ganzen um sich selbst kreisen. Der Leser kann sich damit das Puzzle aus diesen Stücken nach und nach zusammensetzen. Ärgerlich und wenig elegant ist dagegen, dass dem Publikum bestimmte Dinge vorenthalten werden, um am Ende einen Effekt zu erzielen.

„Mörderische See“ ist ein souveräner Durchschnittskrimi, der seine Story geschickt aufzieht, auch wenn die Ausführung an einigen Stellen etwas plump geraten ist. Kein Regionalkrimi mit Nordsee-Flair!