Neal Shusterman: Game Changer (Buch)

Neal Shusterman
Game Changer
(Game Changer, 2021)
Übersetzung: Andreas Helweg, Pauline Kurbasik und Kristian Lutze
Titelbild: Christoph Tauber
Sauerländer, 2021, Hardcover, 404 Seiten, 18,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Ashley, genannt Ash, spielt in der Football-Mannschaft seiner Highschool in der Verteidigung. Nun ist diese Position nicht unbedingt dafür bekannt, dass man Karriere machen kann - so in der Art eines Stipendiums für die Universität -, oder dass einem die Herzen der Cheerleader zufliegen würden. Doch Ash ist gut in dem, was er auf dem Spielfeld tut. Da ist es egal, dass andere den Ruhm absahnen, er hat Spaß an seinem Sport, nur das zählt.

Dass seine Familie in einem der ärmeren Viertel der Stadt wohnt, dass er eine alte Karre fährt, damit hat er sich abgefunden. Er hat gute Freunde - sein bester Freund ist der Star des Football-Teams, ein dunkelhäutiger Junge, auf den er sich blind verlassen kann. Herz, was willst du mehr als ein zufriedenes Leben, gute Freunde und ein Hobby, das einen ausfüllt.

Bis Ash in einem Spiel einmal wieder beim Takle einen Schlag auf den Kopf bekommt - und plötzlich ist er in einer Welt, in der alle Stoppschilder blau anstatt rot sind!

Der nächste Angriff und seine Verteidigung führen dazu, dass er sich plötzlich in einer Welt wiederfindet, in der seine Familie zu Reichtum gekommen ist, er einen BMW fährt und Drogen auf dem Schulhof vertickt.

So langsam wird ihm mulmig ums Herz, doch dann wird ihm offenbart, dass ausgerechnet er die Macht hat, die Welt zu ändern - dumm dabei, dass er, das heterosexuelle Weißbrot aus der Mittelschicht, dann die Gelegenheit nutzt, seine sexuellen Vorlieben auszutesten und schlussendlich, versehentlich versteht sich, die „Rassentrennung“ wieder einführt…


Neal Shusterman ist bekannt dafür, heiße Eisen anzufassen. In seinen Romanen setzt er sich gerne, zumeist in einen packenden Plot gewickelt, mit Problembereichen auseinander. Sei es die Klimakatastrophe und Wassermangel, Flüchtlingsbewegungen, Homophobie, Tod, Sexismus, Intoleranz und Diskriminierung - kaum ein Problemfeld, dem er sich nicht schon angenommen hätte.

Vorliegendes Buch ist hier keine Ausnahme. Gesellschaftskritisch beschäftigt er sich mit der Ignoranz und dem alltäglichen Rassismus, aber auch der Gewalt - psychisch wie physisch - in Beziehungen.

Zu Beginn liest sich der Roman auch recht flott - Shusterman stellt uns seine handelnden Figuren vor, die, für ein Jugendbuch natürlich geschickt, aus der Altersklasse der Zielgruppe rekrutiert wurden. Kleine Veränderungen prägen die ersten Verschiebungen, die Ash verursacht, wobei die später angesprochenen Missstände noch recht weit im Hintergrund bleiben.

Die Botschaft des Romans wird im Verlauf der Handlung immer deutlicher in den Vordergrund gerückt, bis sie fast schon zu dominant wird. Das ist gerade für Shusterman unüblich, auch wenn natürlich alle angesprochenen Problemfelder wirklich wichtig sind, und sich ein Jeder mit diesen auseinandersetzen sollte. Dennoch erschlagen den Leser mit der Zeit die Botschaften fast schon, auf der Strecke bleibt dabei die Charakter-Entwicklung der Figuren und auch leider ein wenig die Spannung des Plots. Ash reflektiert zu viel, bietet dem Leser auch immer nur die Sichtweise eines jungen, weißen, heterosexuellen Mannes an.

Dabei ist den Aussagen per se zuzustimmen. Immer wieder fühlte ich mich ertappt bei Gedanken, die ich auch gedacht und nicht wirklich hinterfragt hatte, war versucht meine Auffassung zu entschuldigen, nicht sie zu reflektieren und gegebenenfalls zu ändern. Manches wollte ich vielleicht auch nicht sehen - hier beweist Shusterman, dass er den Finger ganz genau in die Wunde legt, dahin wo es wehtut, wo es aber auch nötig ist.

Der Kunstgriff, dass Ash immer wieder mehreren Erinnerungen parallel in sich nachspürt, den Variationen versucht auf die Spur zu kommen, macht die entsprechenden Passagen dann sehr interessant. Als Leser will man wissen, was sich geändert hat, welche kleinen Variationen zu großen gesellschaftspolitischen Abweichungen führten und ob unser Protagonist letztlich den Ursprungszustand wieder wird herstellen können.

So hinterlässt der Roman bei mir einen ambivalenten Eindruck. Einerseits hat er sehr wichtige Themen, die dann aber so massiv auf einen einstürzen, dass sie die Handlung beherrschen.