E. S. Schmidt: Welt der Schwerter 1 & Welt der Schwerter 2 (Buch)

E. S. Schmidt
Welt der Schwerter 1
Titelbild: Markus Weber
Lindwurm, 2021, Taschenbuch, 342 Seiten, 12,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

 

E. S. Schmidt
Welt der Schwerter 2
Titelbild: Markus Weber
Lindwurm, 2021, Taschenbuch, 320 Seiten, 12,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Sie sind so verschieden wie Tag und Nacht. Die Rede ist von den Halbbrüdern Kronprinz Siluren und Coridan. Ihr Vater, der König, allerdings ist von seinem Nachfolger tief enttäuscht. Dieser weigert sich nicht nur, dem Kampf und der Hurerei zu frönen, er isst auch kein Fleisch und tötet keine Tiere. Stattdessen verbringt er seine Zeit damit, die Nase in Bücher zu stecken und mit Gelehrten aus weit entfernten Reichen zu korrespondieren. Und so etwas soll sein Nachfolger werden?

So ganz anders ist der mit einer Magd gezeugte Coridan. Mit 14 hat er sein erstes Wild erlegt, später eine Schlacht durch seinen Einsatz gewendet und den Sieg fürs Reich erstritten. Das wäre ein Nachfolger, so ganz nach dem Gusto des Herrschers.

Als der Monarch sein Alter spürt weiß er, dass er der Tradition des Königreichs folgend die Vermählung des Thronfolgers mit der Erwählten der Erdmutter in die Wege leiten muss. Die Wahl der Göttin fällt auf eine Priesterin, der nichts lieber wäre, als den Rest ihres Lebens im Kloster zu verbringen und die heiligen Schriften zu studieren. Ihren Glaubensschwestern ist sie altersmäßig bereits enteilt, als das Mal der Göttin, das jeden Mann der es erblickt in bedingungsloser Liebe zu ihr fallen lässt, auf ihrer Stirn erscheint.

Der König entsendet Coridan, die Braut in die Fürstenburg zu geleiten, nicht ahnend, dass der skrupellose Herrscher des Nachbarreiches am Ende des Winters seine Truppen in den Kampf schickt.

Während der Monarch an die Front eilt, sein wehrhafter Sohn die Priesterin ins Reich leiten soll, kommt der Denker und Zweifler Siluren den finsteren Trieben ihres Gegners auf die Spur. Er muss tätig werden, gar aktiv ins Geschehen eingreifen und rettet, unter tätiger Mithilfe einer Söldnerin, eine der Städte des Reiches vor der Okkupation durch ihren Gegner. Nun nennt ihn das Volk nicht länger Siluren, der Zauderer sondern Siluren, den Listigen.

Zwischen Siluren und der Söldnerin einerseits und Coridan und der Priesterin andererseits knistert es - sie kommen einander näher, obwohl das Gesetz, die Göttin und das Wohl des Reiches doch eine andere „Paarung“ vorgesehen haben - und dies just, da den König sein Schicksal ereilt und sein Thronfolger eigentlich mit der Rettung seines Reiches vor den angreifenden Heeren mehr als genug zu tun hätte…


Der zur Veröffentlichung in zwei Bücher geteilte große Roman bietet dem Leser auf den ersten Blick eine gängige Fantasy-Geschichte. Als da wären eine archaische Welt, in der nach wie vor mit geschärftem Stahl gekämpft und gemordet wird, in der aber auch erste Vorderlader zum Einsatz kommen.

Die Herrschaftsstruktur ist feudalistisch angelegt, mit der Besonderheit, dass die Priesterinnen der Göttin als Machtfaktor das Gleichgewicht der Kräfte wahren. Dazu gibt es einen finsteren Aggressor, der mittels Traummagie seine Gegner bedrängt, ein klein wenig Romantik und jede Menge Verwicklungen.

Der Titel „Welt der Schwerter“ führt den Leser ein klein wenig aufs Glatteis; es wird zwar gefochten, doch Schlachten stehen mitnichten im Zentrum der Handlung - auch wenn es diese gleich mehrfach gibt. Stattdessen bietet uns der Text eine in sich stimmige Erläuterung: „Eine Welt, die den besten Fechter zum Herrscher kürt, wird immer eine Welt der Schwerter bleiben.“ (Band 2, S. 161). Wie, wo nur kann der Denker dafür sorgen, dass seine Untertanen in Frieden miteinander leben, sich unterstützen und helfen, statt sich gegenseitig zu meucheln? Stattdessen all überall Neid, Verrat und Missgunst - es bleibt nur die Gewalt als Lösung, oder?

Oh nein, so einfach im Kampfesrausch zu schwelgen, macht es sich die Verfasserin nicht. Sie interessiert sich vielmehr für die innere Gefühlswelt ihrer Figuren, beschreibt diese als interessante, von ihrer Anlage her sehr unterschiedliche Charaktere. Dass diese dann entsprechend ihrem Naturell folgerichtig und damit überzeugend handeln, ist einer der großen Pluspunkte der Bücher.

Und sie berichtet uns von Menschen, die so ganz anders sind, als ihre Umwelt sie gerne hätte. Von wegen uniform und den Erwartungen entsprechend - oh nein, sowohl die Priesterin als auch die Söldnerin setzen sich mutig und selbstbewusst als Frauen in einer Welt, in der diese als Gebärmaschinen an den häuslichen Herd verbannt werden, durch. Das ist gelebte Emanzipation, gerade auch, weil die Autorin die Schwierigkeiten ihrer Figuren, sich den Erwartungen zu entziehen, wunderbar stimmig beschreibt. Aber auch der Thronerbe, ein Feingeist, Vegetarier und Pazifist entspricht so gar nicht dem üblichen Figurenkarussell.

Das heißt nicht, dass der Roman bei aller Dramatik und Spannung nicht auch seine Schwächen hätte. Die Zeichnung der Antagonisten bleibt zu oberflächlich, ja stereotyp, ihre Motivation rudimentär, ihr Charakter schlicht unglaubwürdig. Doch dies ist ein kleiner Kritikpunkt angesichts der vielen Sachen, die die Autorin in den beiden Büchern richtig macht.

Sprachlich ist der Text ansprechend, die Bühne auf der sie ihren Plot ablaufen lässt ist abwechslungsreich ausgestaltet, die Protagonisten haben Ecken und Kanten. Dazu gesellen sich immer wieder überraschende, innovative und wirksame Ideen des Prinzen, um die angreifenden Horden abzuwehren. Selbst die sehr dosiert eingesetzte Magie ist integrierter Bestandteil des Plots, wirkt auch nicht aufgesetzt.

Allerdings stellt sich die Verfasserin im 13. Kapitel dann selbst ein Bein, als sie ihre beiden starken Frauenfiguren ad absurdum führt. Da wurden diese in der Handlung über Wochen als Menschen gezeichnet, die ihr Leben, ihre Bestimmung selbst in die Hand nehmen, dann aber resignieren diese, geben einfach so ihr persönliches Glück auf. Das passt nicht wirklich, da hätte ich mir mehr Initiative, mehr Rückgrat und auch mehr Mut und Ideen gewünscht - haben beiden Frauen doch hinreichend bewiesen, dass sie all dies in mehr als ausreichendem Maße besitzen.

Insgesamt aber ein toll zu lesender High-Fantasy-Roman, der mit ungewöhnlichen Figuren punktet, der auch Schlachten und Kämpfe thematisiert, aber eher friedliche oder zumindest intelligente Lösungen für diese sucht und findet und packendes Lesefutter bereithält.