Assassin’s Creed: Der Ming-Sturm, Yan Leisheng (Buch)

Assassin’s Creed: Der Ming-Sturm
Yan Leisheng
(Assassin’s Creed: The Ming Storm, 2020)
Übersetzung: Helga Parmiter
Cross Cult, 2021, Taschenbuch, 380 Seiten, 15,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Christel Scheja

Mittlerweile ist „Assassin‘s Creed“ nicht mehr länger nur auf den westlichen Kulturraum beschränkt, es gibt auch eine fernöstliche Variante, denn warum sollte das Reich der Mitte nicht auch in den ewigen Kampf zwischen den Assassinen und den Templern miteinbezogen werden? Dass das gehen kann. beweist „Der Ming-Sturm“.


Die Templer haben in Gestalt von Zhang Yong und seinen Acht Tigern gesiegt, denn der Kaiser ist tot, die Assassinen zerschlagen und das Reich der Mitte im Chaos versunken. Allein Shao Jun, einst erste Favoritin des Himmelssohns und Schülerin eines weisen Meisters, hat überlebt und ist in den Westen gegangen, um dort ihre Ausbildung zu beenden. Nun kehrt sie gestärkt zurück und nimmt den Kampf gegen die Acht Tiger auf. Natürlich bleibt ihr Feldzug der Rache nicht unbemerkt und sie braucht schon bald mehr Verbündete, als sie selbst zugeben möchte.

 

Es ist schon etwas anderes, eine Geschichte zu lesen, die nicht von einem Westler geschrieben wurde, sondern von einem chinesischen Autor, der mit der Kultur und der Geschichte seiner Heimat aufgewachsen ist und daher ganz andere Schwerpunkte setzen kann. So führt er, ähnlich schillernd und exotisch wie in einem der modernen Wuxia-Filme, seine Heldin durch ihre Mission, die sie nun - gestärkt von dem Wissen der westlichen Assassinen - durchführt, dabei aber ganz in dem Denken und Fühlen ihres Volkes lebt. Sie ist ein Mensch, der bewusst seine persönlichen Gedanken und Gefühle zurückstellt und bis zur Selbstaufgabe ihre Aufgabe erfüllt, sich dabei auch so gut wie nicht erlaubt, Beziehungen aufzunehmen und tiefer werden zu lassen.

Die Geschichte ist episch aufgebaut und lebt von einer blumigen, an Beschreibungen reichen Sprache, die schnell in den Bann schlägt und so die Atmosphäre noch vertieft. Die vielen fremden Namen sorgen zwar dafür, dass man sich manchmal etwas erschlagen fühlt als Leser, letztendlich ist es aber nicht wichtig, wen die Heldin genau gerade erledigt.

Das Ganze läuft natürlich so ab, wie man es auch aus den entsprechenden Spielen kennt: actionreich und dynamisch - nur etwas weniger nüchtern. Tatsächlich muss man nur wenige Vorkenntnisse mitbringen, denn der eigentliche westliche Konflikt spielt so gut wie keine Rolle, die Geschichte funktioniert auch als Kampf zweier Gruppen, die um die Macht im Kaiserreich ringen; die einen aus edlen Motiven, die anderen aus reiner Machtgier und Willkür. Daher ist in erster Linie der Geist des Spiels erhalten, weniger aber die klassische Atmosphäre.

Wer einmal eine Variation des üblichen „Assassin‘s Creed“-Konflikts lesen will, kann gerne zu „Der Ming-Sturm“ greifen, denn die Geschichte gleicht den aktuellen Wuxia-Filmen und geht ihren ganz eigenen exotisch in Szene gesetzten Weg, um den Kampf zwischen den beiden Gruppen zu gestalten.