Tom Daut: Anno Salvatio 423 - Der gefallene Prophet (Buch)

Tom Daut
Anno Salvatio 423 - Der gefallene Prophet
Titelbild: Timo Kümmel
Edition Roter Drache, 2021, Paperback, 578 Seiten, 18,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der die katholische Kirche in ihrer reaktionärsten Ausformung die Macht übernommen hat. Der unsterbliche Hirte, der Papst regiert mit harter Hand, die Templer und Inquisitoren sorgen dafür, dass die neuen Zwölf Gebote streng befolgt werden. Ab und an meldet sich Gott höchstselbst bei seinem Hirten, die Erzengel untersuchen die Gläubigen auf ihre Treue.

Unter den mit dem Heiligen Geist - Paragaben - bedachten Priestern nimmt Desmond Sorofraugh eine besondere Stellung ein. Nicht etwa, dass sein Onkel - seines Zeichens immerhin Dekan - ihn zu offensichtlich protegieren würde, seine Kraft, sein Heiliger Geist ist weit ausgeprägter und mächtiger als er sein sollte, ja sein dürfte. So kann er nicht nur Gegenstände bewegen, sondern auch in den Geist von Sündern eindringen; eine Gabe, die eigentlich nur den Erzengeln vorbehalten ist.

Dass er zudem ein Problem mit Autorität hat und allzu oft die Zulässigkeit der Handlungen der Priester hinterfragt, macht ihn zum Sonderling. Eines Tages findet er die Einladung des meistgesuchten Mannes im Gottesstaat, des gefallenen Propheten. Als er die Ketzergemeinde besucht, lernt er Iskariot kennen, der ihm anbietet, seine Kräfte weiter zu schulen. Dies hieße aber, dass Desmond sich von der Kirche und deren Machtstrukturen abwendet und den Rebellen anschließt.


Was uns Tom Daut da anbietet - zumutet wäre vielleicht auch ein treffender Begriff - erscheint auf den ersten Blick blasphemisch. Ein autoritärer Gottesstaat, der beginnend vom Allmächtigen über den unsterblichen Fischer und die Engel bis hin zu den Priestern korrupt und ungerecht agiert.

Das ist zunächst einmal starker Tobak, zumal der Autor andeutet hat, dass er in den weiteren drei Romanen der Reihe noch deutlich auf die Aussagen der Bibel und deren Auslegungen durch den Klerus eingehen wird.

Wer sich aber auf die geschilderte Welt einlässt, der findet sich in einer beklemmend real wirkenden Dystopie wieder. Und da wartet so Einiges auf den Rezipienten - zum Beispiel die auch in Details glaubwürdige Darstellung eines totalitären Unterdrückungsstaates, der durch sein Fundament in der katholischen Kirche nur an Strenge, an Brutalität und Ausstrahlung gewinnt.

In diese Kulisse setzt der Autor dann seinen Protagonisten, der sich zunächst einfinden muss.

Ohne hier zu viel verraten zu wollen, ist Desmond ein angenehmer Erzähler. Er hat über seine Gaben ein gewisses Machtmittel, ist in seiner Umwelt zunächst als Bestandteil verwurzelt und sieht dann mit staunenden, so manches Mal ungläubigen Augen die andere Seite der Gesellschaft.

So erleben wir gleichsam aus der inneren Sicht mit, wie despotisch Gott und Kirche regieren, bekommen viele rasant aufgezogene Action-Szenen, Kämpfe und Geheimnisse satt. Das hat ganz eindeutig das Potential zu provozieren, aber auch bestens zu unterhalten. Und es macht neugierig darauf, was uns in den weiteren Bänden erwarten wird.

Insoweit dürfen Leser, die eine packende, actionreiche Handlung vor einem Hintergrund in der fernen Zukunft mögen, die einmal nicht weichgespült wurde, hier ihr Lesefutter finden.

Erwähnen darf ich noch, dass der Roman 2014 bereits im Oldigor Verlag erschien.