Martin Conrath: Das Archiv des Teufels (Buch)

Martin Conrath
Das Archiv des Teufels
Robert Bennett 1
Gmeiner, 2021, Paperback, 378 Seiten, 14,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Christel Scheja

Der 1959 in Neunkirchen an der Saar geborene Martin Conrath war schon alles Mögliche: Journalist und Personalentwickler, Musiker, Schauspieler, und nicht zuletzt auch Schriftsteller, der seit 2006 in Düsseldorf lebt und arbeitet. Er schreibt zusammen mit Sabine Klewe unter dem Pseudonym Sabine Martin Historische Romane. Mit „Das Archiv des Teufels“ greift er nun ein sehr dunkles Kapitel der deutschen Geschichte auf.


Major Robert Bennett ist froh, als er 1952 endlich die Gelegenheit bekommt, aus Deutschland zurück in die Staaten zu gehen und dort endlich wieder das Leben mit seiner Familie zu genießen. Aber es kommt anders als gedacht. Kurz vor seiner Abreise pfeift ihn sein Chef zurück. Noch einmal soll er das tun, was er am besten kann: Die Weste hochrangiger Nazis reinwaschen, damit diese entsprechende Stellungen in der Bundesrepublik einnehmen können.

Diesmal ist es ausgerechnet Sigfried Heiderer, der Nazi, der für das Massaker von Lemberg und damit auch den Tod seines Bruders verantwortlich ist. Robert gehorcht, aber auch, um einen Weg zu finden, den Mann doch noch einer gerechten Strafe zuzuführen. Er ahnt nicht, dass ausgerechnet Anna Münziger, eine Agentin der Staatssicherheit, schon bald die Einzige sein wird, auf die er sich noch verlassen kann.


Verpackt in einen spannenden Agenten-Thriller, packt der Autor ein heißes Eisen an, das zwar Vielen zu der Zeit bekannt war, aber auch unter den Tisch gekehrt wurde, brauchte man doch die Männer und ihre Erfahrung für die Wirtschaft und den Aufbau der jungen Republik, egal welche Verbrechen sie an der Front oder auch in den Lagern begangen hatten. Wissenschaftler, Ingenieure, aber auch erfahrene Beamte, die vielleicht sogar Juden und Widerständler in den Tod schickten, Unschuldige quälten, werden hofiert, ihre Westen reingewaschen, und das soll nun auch bei einem hochrangigen Nazi geschehen.

Wie man das damals gemacht hat, beschreibt die Geschichte ebenso, wie es einen Mann zwischen sein Gewissen und sein Pflichtgefühl stellt. Auf der einen Seite ist Robert Bennett immer noch ein Offizier der Besatzungsarmee, auf der anderen Seite aber auch jemand, der den Mörder seines Bruders bestraft sehen will. Doch dazu muss er sich erst wirklich sicher sein, was in Lemberg passierte - und das führt zu einer spannenden Spurensuche durch die beiden deutschen Staaten und darüber hinaus, zum Kräftemessen mit dem neuen Gegner und nicht zuletzt dem Kontakt zur Gegenseite, der durch eine ähnlich gestrickte Agentin vertreten wird. Denn auch Anna hat jeden Grund, verbrecherische Nazis bestraft zu sehen.

Detailreich und glaubwürdig beschreibt der Autor die Arbeit der Beiden, entwickelt dabei ihren Charakter weiter und zeigt, warum gerade sie über die Grenzen ihrer Staaten hinweg die sind, denen der Leser folgen kann. Er zeigt zugleich, wie weit die Intrigen damals reichten, und dass Bauernopfer auf beiden Seiten von den Vorgesetzten gerne einmal in Kauf genommen wurden, um die manchmal nicht ganz uneigennützigen Ziele zu erreichen. Zugleich ruft er auch in Erinnerung, welches Erbe in den damals noch jungen deutschen Staaten genau diese Maßnahmen hinterlassen haben, und warum der Geist der Nazis auch heute noch da weiter leben kann, wo man ihn am wenigsten vermutet.

Auch wenn die Geschichte erst einmal zur Unterhaltung dient, sie macht auch nachdenklich und ist so gut recherchiert, dass man mehr als einmal überrascht und geschockt zugleich ist, denn die Methoden waren nicht ganz ohne. Immerhin bewahren die beiden Hauptfiguren ihr Gewissen und werden nicht zu Handlangern des Systems, sondern finden ihren eigenen Weg. Damit lässt sich der Autor tatsächlich auch noch Möglichkeiten für eine Fortsetzung offen.

„Das Archiv des Teufels“ ist ein spannender und eingängiger Spionage-Thriller, der auf unterhaltsame Weise ein Thema aufgreift, das heute fast vergessen ist, aber gerade Anfang der 50er Jahre mehr als prägend für die deutsche Gesellschaft wurde, weil nicht alle Nazis für ihre Verbrechen verurteilt wurden, sondern sogar in Amt und Würden blieben.

Die Fälle und die Ermittler mögen fiktiv sein, aber sie stehen symbolträchtig für all die anderen, auf die das dennoch in der Realität zutrifft.