The Boys 2: Der Glorreiche Fünfjahresplan (Comic)

The Boys 2
Der Glorreiche Fünfjahresplan
(Get Some, (The Boys #7–14)
Autor: Garth Ennis
Zeichner: Darick Robertson, Peter Snejbjerg
Farben: Tony Avina
Lettering: Alessandro Benedetti
Übersetzung: Bernd Kronsbein
Panini, 2008, Paperback, 196 Seiten, 19,95 EUR

Von Irene Salzmann

»The Boys« nennt sich eine kleine Eingreiftruppe, die, legitimiert vom Staat, dafür sorgt, dass kein Superheld ungestraft seine Kräfte missbraucht und ›normale‹ Bürger schädigt oder andere Verbrechen begeht. Wer es zu weit treibt, zieht die Konsequenzen – und schlimmer. The Butcher, Frenchman, das Weibchen, Mothers’s Milk und Neuling Wee Hughie haben ihre Gründe, diesen Job zu übernehmen und notfalls skrupelloser zu sein als die skrupellosesten Superhelden.

Ein junger Mann, der der Homosexuellen-Szene angehörte, wird ermordet. Die Spuren führen zu Tek-Knight, der als ›Schwulenhasser‹ gilt, aber in Wirklichkeit nur seinen Sex-Trieb nicht zügeln kann. Dadurch hat er längst alles und jeden, der ihm nahe stand, verloren. Doch nicht immer ist alles so, wie es auf den ersten Blick hin scheint.
Kaum ist der Fall gelöst, werden The Boys nach Russland geschickt. Seit geraumer Weile killt jemand die einheimischen Superhelden – aber wer und warum? Bei ihren Ermittlungen bekommt die Gruppe Hilfe von einem ehemaligen sowjetischen Superhelden, der, als es notwendig wird, wieder in sein hautenges Kostüm schlüpft und als ›Liebeswurst‹ die Drahtzieher jagt …

Superhelden sind edel und unfehlbar, sie handeln altruistisch und ohne eine Belohnung zu erwarten, ihr Eingreifen wendet die Dinge immer zum Guten. So war es früher, und so war es noch lange bei DC (während Image, Marvel und die kleinen Verlage sehr viel mutiger an heikle Themen heran gingen) – kein Wunder, dass Garth Ennis mit »The Boys« von Wildstorm, einem DC-Label, nach sechs Heften (»The Boys« 1, Panini) zu Dynamite Entertainment wechselte. Tatsächlich stellt der Autor die konventionellen Superhelden-Welten völlig auf den Kopf.
Keiner von den Frauen und Männern mit besonderen Kräften entspricht in »The Boys« dem sattsam bekannten Klischee, im Gegenteil. Diese Superhelden sind geldgierig und publicitysüchtig, sie nutzen ihre Popularität aus, um ungestraft Sex und Gewalt in allen Formen praktizieren zu können, sie greifen in die Politik ein zu Gunsten kleiner Gruppen und manipulieren im Geheimen weltweite Entwicklungen. Unschuldige Bürger, aber auch unbequeme Kollegen sind ihre Opfer.
Diese Vorgänge werden in allen Details geschildert – und dann kommen The Boys. Sie bereiten der Selbstherrlichkeit der pervertierten Helden ein Ende, kompromisslos und meist mit genauso viel Gewalt. Sie alle verfügen über ähnliche Fähigkeiten wie die Gegner, ihre Vergangenheit und die Jobs haben deutliche Spuren hinterlassen, und jeder hat seine persönlichen Gründe, Superhelden zu hassen, ihnen all das heimzuzahlen, was sie Unbeteiligten zugefügt haben. An Neuzugang Hughie wird demonstriert, wie aus einem friedlichen Bürger ein Jäger wird, der immer tiefer in die Gewaltspirale hineinrutscht.
Entsprechend sind die Sprache und die Zeichnungen: makaber, dreckig, drastisch, hässlich. Jüngere Leser mögen das als ›cool‹ empfinden, ohne wirklich die Hintergründe und Anspielungen zu verstehen, deshalb kann man »The Boys« nur einem Publikum empfehlen, das mindestens 18 Jahre alt ist. Zweifellos werden eher Leser als Leserinnen zugreifen, insbesondere jene, die Serien wie »Preacher«, »Punisher«, »Spawn«, »Sam & Twitch« etc. schätzen.
Ein böser Humor schwingt mit und macht den Titel zu einer Satire. Beispielsweise liest The Butcher regelmäßig Comic-Hefte, denn sie beinhalten verschlüsselte Informationen über die Vergehen der Superhelden. Auch die hautengen Kostüme werden auf die Schippe genommen, denn bei dem sowjetischen Helden giltnomen est omen. Ebenfalls ihr Fett weg bekommt die Bat-Familie, die nach Einführung Robins als Batmans Sidekick wegen homosexueller Interpretationsmöglichkeiten kritisiert wurde. Die einzelnen Episoden sind voll von solchen Anspielungen.
Aber ganz neu ist die Idee, das Superhelden-Genre in dieser düsteren Form zu parodieren nicht. Anfang der 1990er Jahre schuf Rob Liefeld mit »Youngblood« (und diversen Schwester-Serien, Image) ein Team, das auf seinen ursprünglichen Entwürfen für »X-Force« (Marvel) basierte und die Reglementierungen angriff. So handelte es sich bei dieser Einsatzgruppe der Regierung um junge Helden, die angewiesen waren, medienwirksame Auftritte zu inszenieren. Ihr Leader stand ständig unter Beweiszwang, dass man ihn nicht allein wegen seines guten Aussehens sondern wegen seiner Führungsqualitäten gewählt hatte. Die anderen Mitglieder waren Freaks, die für sich einen Platz suchten, Loser, die sich als Superhelden Ruhm, Geld und Frauen erhofften, oder Gewalttäter, die meinten, sich unter der schützenden Hand des Staates alles erlauben zu dürfen.
Allerdings gehen »The Boys« noch weiter, denn auf hübsche Mädchen in knappen Kostümen wird weitgehend verzichtet, und tauchen sie auf, dann sind sie reine Sex-Objekte oder genauso bösartig wie ihre männlichen Kollegen. Der Glamour ist fort, gezeigt wird nur das Hässliche, was für gewöhnlich keinen Platz im Leben der strahlenden Helden hat. Action und Splatter dominieren.

»The Boys« ist eine harte Comic-Serie für Erwachsene, die sich mit den Folgen aus dem Handeln der Superhelden und den Schattenseiten ihrer Popularität befasst. Der Titel schildert ungeschönt Dinge, die in den konventionellen Reihen keinen Platz haben. Wer das Strahlen und die Unfehlbarkeit gewisser Helden leid ist, dürfte seinen Spaß an diesem bösen Comic haben.