Birgit Arnold: Kein Mensch will‘s glauben (Buch)

Birgit Arnold
Kein Mensch will‘s glauben
Eine Erzählung über den Waldpropheten Mühlhiasl
Yellow King Productions, 2021, Taschenbuch, 180 Seiten, 12,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Christel Scheja

Die im Bayrischen Fünfseenland aufgewachsene Birgit Arnold arbeitete nach ihrem Studium der Europäischen Betriebswirtschaftslehre erst lange im Finanzbereich, entschied sich dann aber ihrer wahren Leidenschaft zu folgen. Sie nahm Schauspiel und Sprechunterricht, begann aber auch mit dem Schreiben und verbindet so ihre Leidenschaften Natur und Heimat. In „Kein Mensch will‘s glauben“, greift sie Überlieferung aus der Region über gleich zwei besondere Propheten auf.


Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist ganz Europa in Aufruhr. Napoleon Bonaparte bringt Krieg und Besatzung über die Nachbarländer und scheint keine Grenzen zu kennen. Mit ihm kommen auch neue Entwicklungen in Gesellschaft und Politik, denn mit den alten Traditionen und Machtstrukturen soll gebrochen werden, gerade auch mit dem Einfluss der Kirche.

In dieser Zeit verbreitet ein wunderlicher Kauz seltsame Prophezeiungen, die sein Umfeld in Angst und Schrecken versetzen. Auch vor dem Abt, dem er als Pächter dient, macht er keinen Halt, spricht von einer baldigen Auflösung des Klosters und noch schlimmeren Katastrophen.

Der Mühlhiasl gibt den Menschen Rätsel auf und verliert schließlich sogar seine Familie. Aber seine Prophezeiungen kann er dennoch nicht verschweigen.


Birgit Arnold erzählt in ihrer Geschichte zwar den fiktiven Lebensweg eines Waldpropheten, greift dabei aber auf historische Gestalten und Aufzeichnungen zurück, die man auch noch nachlesen kann. Die beiden Männer, deren Leben sie hier zu einem vereint, sind wunderliche Käuze, die aber dennoch nur selten falsch lagen und zugleich deutlich machen, dass auch im frühen 19. Jahrhundert die Aufklärung noch nicht in jeden Winkel Europas gedrungen ist.

Gleichzeitig erzählt die Autorin auch von dem damaligen Leben in den eher ländlichen Regionen Bayerns, in denen die Tagelöhner und abhängigen Bauern von den Landherren abhängig sind und quasi über Nacht alles verlieren können - vor allem in so unruhigen Zeiten wie die der Napoleonischen Eroberungskriege, die gerade in Mitteleuropa nicht nur Gewalt und Tod mit sich bringen, sondern auch Veränderungen in der Gesellschaft.

Das Ganze wird erstaunlich sachlich erzählt, der Leser bleibt ein wenig auf Distanz zu den Figuren, dennoch verfolgt man deren Schicksal gerne, finden sich doch auch immer wieder Typen, die man auch aus seinem eigenen Leben kennt, seien es Karrieristen, die sich auf Kosten anderer profilieren wollen, oder eben jemand wie der Mühhiasl, der es als Außenseiter schwer hat, überhaupt von jemandem ernstgenommen zu werden. Auch die Entscheidung seiner Frau kann man sehr gut nachvollziehen.

Vielleicht ist der Roman nicht ganz so spannend wie andere, kann aber dennoch in den Bann schlagen, weil es der Autorin gelingt, die Epoche zum Leben zu erwecken und einmal aus einer ganz anderen Sicht als üblich zu schildern. Einfache Menschen jenseits der Reichen, Mächtigen und Gelehrten stehen hier im Mittelpunkt, die zwischen der alten Welt voller Traditionen und Aberglauben und den nicht aufzuhaltenden Veränderungen durch Aufklärung und Revolution stehen.

Die Atmosphäre ist dadurch sehr dicht und warmherzig, so dass man der Geschichte gerne bis zum Ende folgt. Und sie zieht den Zahn, dass es solche fast märchenhaften Gestalten nur in den Volkserzählungen gegeben hat.

„Kein Mensch will‘s glauben“ folgt den Spuren eines oder mehrerer wahrsagender Eigenbrötler aus dem Bayrischen Wald und deren Weissagungen, verknüpft dies auch noch spannend mit den gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, die das frühe 19. Jahrhundert auch dort mit sich brachte. Die Geschichte ist unterhaltsam und warmherzig erzählt und vor allem die dichte Atmosphäre, die das Szenario zum Leben erweckt, kann punkten.