Linda May: Anne - Ich weiß, was ich will (Buch)

Linda May
Anne - Ich weiß, was ich will
Blue Panther Books, 2021, Taschenbuch, 184 Seiten, 12,90 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Anne - Mitte Dreißig, geschieden und Zahnärztin - ist bis über beide Ohren in den schönen Leander - geschieden, Kinder und Rechtsanwalt -, verliebt, bis sie ihn in der Kanzlei in flagranti mit der jungen Auszubildenden erwischt. Seine Entschuldigung lässt sie nicht gelten, denn der Vertrauensbruch hat Anne zutiefst verletzt.

Um sich abzulenken, lässt sie sich von Freundin Lina überreden, gemeinsam schick auszugehen. Im Restaurant bemerkt der Gast am Nachbartisch Annes Kummer und kann es sich nicht verkneifen, beim Gehen einige aufmunternde Worte an sie zu richten. Das tut ihr so gut, dass sie den Herrn gern wiedersehen würde.

Tatsächlich trifft sie Tom - Mittvierziger, Single, Schriftsteller - an seinem Stammplatz an. Beide kommen ins Gespräch und verabreden sich zu einem Date. Damit beginnt für das frisch verliebte Paar eine Zeit voller aufregender Spiele, vorangetrieben von der Idee, gemeinsam ein erotisches Buch zu schreiben, in dem sie Praktiken schildern, die sie schon immer einmal ausprobieren wollten und für die stets der passende Partner fehlte.

Ein besonderes Anliegen ist für beide, Sex mit einer weiteren Person zu genießen. Die Wahl fällt sogleich auf Lina, die sich mit Tom bestens versteht und die auch für Anne mehr empfindet als nur platonische Zuneigung. Schon bald haben die Frauen die Zügel fest in der Hand, und eine erotische Überraschung jagt die nächste.


Wer bereits Romane und Kurzgeschichten von Linda May gelesen hat, ahnt, was ihn erwartet: Etwas reifere, attraktive Protagonisten, die genau wissen, was sie wollen, lernen sich kennen und lieben. Selbst wenn sie feste Partnerschaften eingehen, bleiben sie offen für Spiele mit dafür geeigneten Personen. Stets leben sie in gesicherten Verhältnissen und gehen Berufen nach, denen sie die notwendigen finanziellen Mittel und auch reichliche Freizeit verdanken, um gediegen Essen zu gehen, teure Shopping-Touren (Dessous, Sex-Toys etc.) zu unternehmen und unermüdlich ihre Phantasien auszuleben.

In „Anne - Ich weiß, was ich will“ sind das die Titelfigur, aus deren Sicht die Geschehnisse beschrieben werden, sowie ihre neue Liebe Tom, der im Laufe der Handlung zugunsten von Annes dominanter Freundin Lina etwas in den Hintergrund tritt. Die Frauen geben den Ton an, und auch wenn Tom, ein Frauenversteher, nicht offenkundig devot auftritt, fühlt er sich in dieser Rolle wohl. Zu zweit und zu dritt (Frau x Frau, Frau x Mann, jedoch nie Mann x Mann) probieren sie aus, was ihnen Freude bereitet, allerdings wird nicht die ganze Liste, die sie angelegt haben, abgehakt - vielleicht ist ja eine Fortsetzung geplant.

Die Autorin punktet damit, dass sie die gefühlvollen freundschaftlichen und erotischen Szenen mit einer wenn auch dünnen Handlung verbindet, ihre Charaktere sympathisch wirken und ein Leben führen, von dem so mancher Leser sicher träumt, und die Schilderungen nicht zu deftig, nicht zu vulgär ausfallen.

Was nicht so überzeugend wirkt, sind Toms erstaunliche Kenntnisse über Frauenkleidung, insbesondere Strümpfe, ein Fetisch, der zum Beispiel in „Sophie - Ein süßes Biest“ thematisiert wurde; da hätte man sich zur Abwechslung schon mal etwas Neues gewünscht. Außerdem „freuen sich“, „lachen“, „grinsen“, „lächeln“, „flüstern“ … die Protagonisten in einem fort, ob das in der Situation passt oder nicht, und diese eintönige Wortwahl nervt schon bald. Ein Wörterbuch der Synonyme oder wenigstens ein rechter Mausklick auf das Wort zu den Synonymvorschlägen könnte Abhilfe schaffen.

„Anne - Ich weiß, was ich will“ bietet Licht und Schatten: eine vergnügliche Story um nette Leute, die jede Menge Sex-Spiele ausprobieren - dem gegenüber stehen ein feminisierter, in den Hintergrund driftender Mann sowie eine eintönige Wortwahl. Da die meisten Leser gewiss bloß die ‚Haben-Seite‘ sehen, dürften sie ihren Spaß an diesem Titel haben.