V. E. Schwab: Das unsichtbare Leben der Addie LaRue (Buch)

V. E. Schwab
Das unsichtbare Leben der Addie LaRue
(The invisible Life of Addie LaRue, 2020)
Übersetzung: Petra Huber & Sara Riffel
Titelbild: Patrizia Di Stefano
Tor, 2021, Paperback, 590 Seiten, 18,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Adeline wird im ausgehenden 17.Jahrhundert in einem kleinen Dorf nahe Le Mans in Frankreich geboren. Ihr Vater, der aus Holz Spielsachen und Kunstwerke schnitzt, unterstützt sie in ihrem zeichnerischen Talent, ja nimmt das naseweise Mädchen schon in jungen Jahren mit auf den Markt der nahen Stadt.

Dass sie bei einer alten Dorfbewohnerin in die Geheimnisse der alten Götter eingeweiht wird, erweist sich als janusköpfiger Segen. Sie, die immer alle Freier um ihre Hand mit Hilfe der alten Götter abgewiesen hat, soll nun einen jungen Witwer heiraten - obwohl sie sich ihren Liebhaber doch schon lange selbst mit Kohlestift und Imagination geschaffen hat. Sie will niemandem gehören - nicht ihren Eltern, nicht einem Ehemann, sie will frei sein. Am Tag ihrer Hochzeit begegnet sie ihm - dem Schatten, dem Teufel, der ihrer Imagination gleicht und ihr einen Handel vorschlägt: Zeit ohne Begrenzung um zu leben, Freiheit ohne Regeln, ungebunden sein, niemandem gehören. Der Preis: ihre Seele, wenn sie ihr Leben nicht länger will.

So zieht sie durch die Jahrhunderte und merkt bald, dass sie einen weiteren Preis zu berappen hat. Niemand erinnert sich an sie, ihren Namen kann sie weder aussprechen noch niederschreiben - aber sie kann stehlen, schließlich vergisst sie ein Jeder gleich wieder. Allerdings bleibt nichts wirklich bei ihr - die Zeit nimmt ihr ihren Besitz mit Ausnahme des Holzrings, der Sinnbild ihrer Übereinkunft ist. Der Schatten hat ihr die Freiheit vom Tod gewährt - doch nicht vom Leiden.

Doch dann, wir schreiben den März des Jahres 2014, lernt sie im New Yorker Antiquariat „The Lost Word“ Henry kennen - einen jungen Mann, der nicht nur ihren Diebstahl einer zerlesenen Taschenbuchausgabe der „Odyssee“ bemerkt, sondern sie selbst im Gedächtnis behält…


Tor bemüht sich erfolgreich darum, dem Publikum andere Bücher zu offerieren. Während bei den anderen Großverlagen sonst fast austauschbare Programme vorherrschen, auch wenn sich in letzter Zeit ein gewisser Wagemut zu neuen Themen und Schwerpunkten zeigt, wollte und will man bei Tor besondere Bücher anbieten.

V. E. Schwabs Roman um Addie LaRue ist ein anderes, ein besonderes Buch.

Es ist die zutiefst melancholische Geschichte einer Frau, die durch die Jahrhunderte hindurch einsam ist, die versucht trotz ihres Fluchs - und nichts anderes ist ihr Wunsch, lange zu leben - das Beste aus ihrem selbstbestimmten Leben zu machen. Durch ihre Augen erleben wir ihre Begegnung mit der Kunst der Jahrhunderte mit, begleiten sie durch vom Krieg, Not und Seuchen heimgesuchte Länder und bewundern ihren Starrsinn, wenn sie dem Schatten immer wieder verweigert, was diesem letztlich zufallen wird - ihre Seele.

Dass dabei aktuelle Themen und Entwicklungen, etwa die vorurteilsfreie Darstellung gleichgeschlechtlicher Beziehungen, inkludiert wird darf angemerkt werden.

Allerdings führt die sehr ruhige Erzählweise der Autorin dazu, dass wir Leser, die wir es gewohnt sind von einem dramatischen Höhepunkt zum nächsten zu eilen, ein wenig Schwierigkeiten haben, uns auf die Erzählung einzulassen. Lange bleiben uns die Figuren fremd, irren wir ein wenig halt- und orientierungslos durch die Handlung. Was will uns die Autorin mit ihrem Roman sagen, wie uns fesseln? Das Schicksal einer jungen Frau, die jeder, dem sie begegnet vergisst ist sicherlich anrührend, aber nicht wirklich spannend. Und auch die Begegnung mit Henry bringt hier wenig Besserung.

So bleibt ein zwiespältiger Eindruck. Auf der einen Seite eine wirklich tolle Idee aus dem man viel hätte machen können, auf der anderen Seite verschenktes Potential, eine Handlung ohne echte Höhepunkte und ein Plot, der gemächlich dahin mäandert ohne wirklich zu fesseln.