Adam Hülseweh: Das Vexyr von Vettseiffen (Buch)

Adam Hülseweh
Das Vexyr von Vettseiffen
H. P. Lovecrafts Schriften des Grauen 16
Titelbild: Erik R. Andara
Innenillustrationen: Jörg Kleudgen
Blitz, 2021, Taschenbuch, 206 Seiten, 12,95 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Matthias Hesse

Wie könnte es anders sein - irgendwann muss es runter in den Keller gehen. Wer je Lovecraft gelesen oder das Pen & Paper „Call Of Cthulhu“ gespielt hat, weiß genau, wo ihn/sie das unbeschreibliche Grauen, der Showdown und der garantierte Wahnsinn des Protagonisten erwarten: In den Gängen und Stollen, den unterirdischen Schächten und Kathedralen - überall dort halt, wo die kosmischen Götter ihren Schlummer halten, bei dem man sie besser nicht stört.

„Das Vexyr von Vettseiffen“ ist mein erster Nahkontakt mit dem Blitz-Verlag aus Windeck in der Nähe von Bonn, der mir durch liebevolle Fortschreibung und Pflege der Pulp-Kultur sowie durch seine interessanten Serien schon mehr als einmal ins Auge gefallen ist. Doch erst musste Ina Elbracht, deren Roman „Pentimenti“ mich letztes Jahr schlicht begeistert hatte, ihr Alter Ego Adam Hülseweh einen Beitrag zur Reihe „H. P.Lovecrafts Schriften des Grauens“ verfassen lassen, damit ich dort mal was ordere.

Meine Erwartung war dementsprechend hoch - das Lesevergnügen ebenfalls!

 

Die Eifelstadt Monschau in den 60ern. Es riecht nach Weinbrand und der alten BRD. Weil bereits die ersten lauen Brisen, die einer noch weit entfernte Globalisierung vorausgehen, den familiengeführten Textilbetrieb gefährlich ins Schwanken bringen, wird der Filius ins ungemütliche Kaff Vettseiffen geschickt, wo es gilt, die Tante um Kapital anzuschnorren, deren Groschenheftverlag reiche Gewinne abwirft. Dort angekommen, wo die Fachwerkhäuser beisammenstehen, „als wollten sie ein schadhaftes Gebiss imitieren“ und die Vorhänge „die Farbe aufgegebener Träume" haben, muss Hans Scheibler erst einmal eine plötzliche Krankheit auskurieren. Und ehe er merkt, wie ihm geschieht, ist der junge Mann mit dem Hang zu altmodischer Sprache und zurückhaltenden Manieren Gefangener eines Ortes, in dem es ganz und gar nicht mit rechten Dingen zugeht.


Manche Leute haben ein warmes Gefühl für die kalten Dinge, heißt es an einer Stelle in Elbracht/Hülsewehs Schauer-Roman, der sich in Struktur und Duktus durchaus am Meister orientiert, aber doch sehr eigenständig und vor allem auch sehr witzig ist. Witzig zumindest für alle, die es morbide mögen - Ina Elbracht ist das oben genannte Gefühl ohne jeden Zweifel zu attestieren. Seien es die liebevollen Beschreibungen von Menschen, Orten oder Nippes-Objekten, der wunderbare Spannungsaufbau, die verspielten und doch immer auf den Punkt gebrachten Verbindungslinien zwischen den erzählerischen Motiven (von den amüsanten Werbeanzeigen in alten Groschenheftchen bis hin zu den Namesnähnlichkeiten von Fischen und Landmarken) - die Autorin ist in diesem Genre voll ihrem Element. Ihre Phantasie scheint keine Grenzen zu kennen, ihre erzählerische Kunstfertigkeit hingegen bündelt die überschäumende Erzähllust zu einer stringenten und an keiner Stelle beliebigen Geschichte, auch zu einer kritischen Verneigung vor dem genialen Menschenfeind Lovecraft.

Anders als dessen Fischerdorf Innsmouth ist Vettseiffen vor Inzucht sicher, denn hier wird nicht geboren, sondern lediglich zugezogen und schließlich gestorben. Oder auch nicht. Das wird ungefähr zur Hälfte des Romans klar, wo das Motiv vom Vexierbild (für Nutella-Fans der 80er: Wackelbild) auch formal aufgegriffen wird. Ab da ist kein Halten mehr; was vorher ironisches Gruseln war, wird nun waschechter Horror und ganz sicher keine Story für schwache Mägen.

Wie auch in „Pentimenti“ jongliert die Autorin mit vielen Plot-Bällen gleichzeitig, und es ist ein großer Spaß zu erleben, wie keiner davon runterfällt, als wir schließlich in die Katakomben des Dorfes und näher an des Rätsels Lösung gelangen.

Mit einem Lochkartenrätsel liefert das rund 200 Seiten umfassende Taschenbuch sogar noch ein spielerisches Element mit, obendrein sorgt ein versierter Umgang mit Sprache für unverbrauchte Bilder und eine enorme Leselust!