Benedict Jacka: Das Rätsel von London (Buch)

Benedict Jacka
Das Rätsel von London
Alex Verus 6
(Veiled, 2015)
Übersetzung: Michelle Gyo
Titelbild: Max Meinzold
Blanvalet, 2021, Taschenbuch, 446 Seiten, 9,99 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Gestatten, Alex Verus der Name - von Beruf Wahrsager. Ja, jetzt meinen Sie, dass sie mich kennen würden: Horoskope, billige Vorhersagen, bestenfalls Raten auf hohem Niveau, meinen Sie - falsch, ganz falsch dieses Mal von Ihnen geraten; ich sehe Zukünfte, und je nachdem welche wahr wird, verzweigen sie wieder weiter. Zukünfte, die mich als Magier in einer Gesellschaft, die mich ausschließt, gerade ziemlich beunruhigen.

Der Rat der Weißmagier hat mich allenfalls als misstrauisch geduldeten Magier abgestempelt, die Schwarzmagier sind mir nach wie vor böse, dass ich erst meinem damaligen Meister, einem der mächtigsten Schwarzmagier der Welt entkommen bin, dann mit dem weißen Rat zusammengearbeitet und schließlich meine ehemaligen Mitschüler getötet habe. Nicht die einzigen Opfer, die auf meinem Gewissen lasten. So reduziert sich die Zahl meiner so schon wenigen Freude rapide - und meine Unterstützer werden auch immer weniger… und dies just, da eine der wenigen Freundinnen, die ich noch habe, verschwindet.

Just bin ich dem Sensemann einmal wieder von der Schippe gesprungen. Ja, mein alter Lehrmeister, der mächtigste der Schwarzmagier ist zurück und irgendwie habe ich das Gefühl, dass er es auf mich abgesehen hat. Nicht genug damit, dass er mir doch tatsächlich angeboten hat, zurück in seine Dienste zu kommen - er arbeitet offenbar daran, die Macht über die Schwarzmagier des Landes an sich zu reißen.

Das bringt mich zum Nachdenken. Ich hatte es ja schon angedeutet: so ganz ungetrübt ist mein Verhältnis zum weißen Rat nicht. Und dennoch, wenn mir etwas wenigstens ein wenig Schutz bieten kann, dann nur dieser. So bewerbe ich mich - nicht etwas als Mitglied der Wächter sondern als Hilfsbursche dieser. Sie wissen ja, man fängt unten an und klettert dann die Karriereleiter… Schluss, mein Klettern wird es nicht geben, dazu ist mein Ruf zu befleckt.

Im Verlauf eines Einsatzes komme ich - warum eigentlich immer ich? - einer Verschwörung der Schwarzmagier auf die Spur, werde von einem Weißmagier tödlich bedroht, von Kontrukten gejagt, hebe einen perversen Sexring von weißen Magiern aus und merke doch immer deutlicher, dass ich im Grunde genommen nichts gegen die drohende Gefahr durch meinen früheren Meister unternehmen kann - die Welt scheint dem Untergang entgegenzutaumeln….

 

Im Original sind wir bei Band 10 angelangt - sprich, Blanvalet hat noch Vorrat uns weiteren Lesestoff einer der interessanteren Urban-Fantasy-Reihen unserer Zeit zu kredenzen.

Schon der vorhergehende fünfte Band zeigte, dass Benedict Jacka seinen Plot auf eine breitere Basis stellen wollte. Nicht länger erwartet uns das phantastische London mit seiner magischen Gesellschaft als Handlungsort - in dem die in sich abgeschlossenen Einzelabenteuer ablaufen -, der Plot verlagert sich zu einem großen Intrigenspiel der Weiß- und Schwarzmagier. Und glauben Sie nur nicht, dass die vermeintlich Guten hier integer oder auch nur sympathischer agieren würden.

Jacka nutzt vorliegend die Gelegenheit, uns die Welt der Magier, ihre innere Machtverteilung, die politischen wie sicherheitsrelevanten Institutionen näher vorzustellen. Dabei baut er geschickt neue Figuren auf, verbreitert so die Basis auf der er seine Handlung platzieren kann. Diente der vorhergehende Roman dazu, die Figuren weiter mit Tiefe und Historie zu hinterfüttern, so geht es jetzt darum, das Gesamtbild der Machtverteilung zu zeichnen. Wir kennen die meisten der Figuren um Alex Verus, seine Freunde und Unterstützer, jetzt verschiebt sich der Fokus zu seinen Gegnern - und, um dies vorweg zu nehmen, es sieht nicht sonderlich gut für unseren Anti-Helden aus, der eigentlich nur seine Ruhe möchte.

Der Plot läuft in sich stringent und nachvollziehbar ab, die neu auftretenden, wie auch die schon bekannten Figuren werden interessant gezeichnet, wobei der Spannungsfaktor ebenso hoch bleibt wie die Rasanz, mit der unser Hauptdarsteller von einer natürlich tödlichen Gefahr in die nächste schlittert, sich Feinde und unversöhnliche Gegner zuhauf macht und um sein Leben zu kämpfen gezwungen ist.