Apparat - Vier Singles (Comic)

Warren Ellis
Apparat - Vier Singles
(Warren Ellis‘ Apparat - The Singles Collection 1, 2005)
Titelbild und Zeichnungen: Jacen Burrows, Laurenn McCubbin u.a.
Übersetzung: Jens R. Nielchen
Dantes, 2019, Paperback, 124 Seiten, 14,00 EUR

Rezension von Elmar Huber

„Was wäre, wenn es niemals Superhelden-Comics gegeben und die klassischen Pulp-Figuren und -Szenarios damit Gelegenheit gehabt hätten, sich ohne diese übermächtige Konkurrenz frei im Comic auszubreiten?“ Eine Frage, die sich Superstar-Autor Warren Ellis („Transmetropolitan“, „Planetary“, „Gravel“) gestellt hat und seine Antwort nun mit „Apparat - Vier Singles“ präsentiert.

Hier sind vier Storys mit gänzlich neuen Charakteren in gänzlich neuen Welten vereint, die ihre Vorbilder in altbewährten Pulp-Themen haben. Ähnlich wie es Alan Moore mit seinen „America‘s Best Comics“ vorgemacht hat. Nur dass es unter dem Label Apparat bei jeweils einer Story bleibt. Schade, von allen Figuren hätte man gerne mehr gelesen.

 

„Angel trampelt Zukunft“ schleudert den Leser ohne Vorwarnung in eine dystopische, versiffte Welt, in der man nicht sicher sein kann, wer noch ein Mensch ist und wer sich schon wie weit hat umbauen lassen. Als Führer durch diesen Dschungel dient die äußerst attraktive und kaltschnäuzige Dr. Angel Antimony.
Man muss schon auf seine Synapsen aufpassen, wenn man versucht, den maschinengewehrartig vorgetragenen Ausführungen von Frau Doktor zu folgen. Damit ist „Angel trampelt Zukunft“ wohl die Apparat-Single, die Warren Ellis‘ „Transmetropolitan“ am nächsten kommt.
Kongenial gezeichnet, mit unzähligen Feinheiten versehen von Juan José Ryp.

„Frank Ironwine“ ist ein Cop der alten Schule, den seine neue Assistentin nach einem abgeschlossenen Fall erstmal aus einem Müllcontainer klauben muss, wo sich der harte Brocken entspannt hat. Gesegnet mit extremen Stimmungsschwankungen und einer Deduktionsgabe, die an Sherlock Holmes erinnert, zieht er allein durch seine Beobachtungen die richtigen Schlüsse und kann einen Mordfall in Rekordzeit lösen.
Ein etwas schräger Krimi in Reinkultur, angereichert mit typischen Ellis-Themen, wie etwa, eine Stadt als zusammenhängenden Organismus zu betrachten oder die Überzeugung, dass sich Muster zwangsläufig wiederholen.
Grafisch umgesetzt im nüchternen Stil von Carla Speed McNeil.

Die Pilotin Emma Pierson steigt bei der Kunst- und Kampffliegerstaffel „Aeropiratika“ aus und kehrt in ihren Heimatort zurück. Für ihre Freunde und Bekannten dort ist sie eine Heldin. Doch bevor sie ihr altes Leben wieder aufnehmen kann, muss sie noch eine persönliche Sache erledigen.
Für Warren Ellis gehören auch die Piloten zur Besetzung eines ordentlichen Pulps, selbst wenn diese die Zeit weit weniger dankbar überdauert haben als andere Figurentypen. In „Stadt der Aussteiger“ geht es auch weniger um die Abenteuer in der Luft als vielmehr um die Erfahrungen und Entscheidungen, die Emma Pierson zu dem gemacht haben, was sie heute ist. Eine untypische Ellis-Geschichte, die den Leser im emotional aufreibenden Finale umso mehr packt.
In dem sehr eigenen Stil von Laurenn McCubbin in Bilder umgesetzt, der nur auf den ersten Blick simpel wirkt.

Um ihren entführten Ehemann zurückzubekommen, soll Frau Maloney „Simon Spector“ zu Rate ziehen. Spector ist nahezu übermenschlich stark, Meister diverser Kampfkünste und kann mit Hilfe selbst entwickelter Tabletten sein Denkvermögen beschleunigen. Innerhalb weniger Minuten findet er so den Aufenthaltsort der Kidnapper heraus, deren Anführer ein alter Bekannter von Spector ist.
Mit Simon Spector hat Warren Ellis seinen eigenen Pulp-Superman geschaffen, der in der Tradition von Doc Savage, The Shadow und einigen anderen steht. Helden, die über keine ausgewiesenen Superkräfte verfügen und sich dank (mentalem) Training und geheimnisvoller Substanzen als den Bösewichten überlegen erweisen.
Spector geht dabei wenig zimperlich zur Sache; seine Leibwächterin ist eher dazu da, Spectors Gegner vor ihm zu schützen. Einige Elemente legen nahe, dass Warren Ellis‘ „Moon Knight“-Geschichten hier ihre Wurzeln haben. Auch haben sich die „Sherlock“-Macher möglicherweise von den Szenen inspirieren lassen, in denen Simon Spector seinen Gedanken-Turbo zündet.
Großartig und punktgenau gezeichnet von Jacen Burrows („Providence“, „Narben“).

Als Zusatzmaterial sind noch Warren Ellis‘ sehr lesenswerte Kommentare über die Einflüsse zu jeder Story enthalten, sowie, als Abschluss, eine Erläuterung der ganzen „Apparat Singles“-Idee.


So ist dies ein großartiger Band mit One Shots, die leider nie in Serie gegangen sind, und der Beweis, dass Warren Ellis nicht nur mit der groben Kelle gut umgehen kann.