Nalini Singh: Engelszorn – Gilde der Jäger 2 (Buch)

Nalini Singh
Engelszorn
Gilde der Jäger 2
(Archangel’s Kiss. A Guild Hunter Novel, 2010)
Aus dem Amerikanischen von Patra Knese
Titelgestaltung von HildenDesign unter Verwendung eines Motivs von Bliznetsow/Shutterstock
Lyx, 2010, Taschenbuch mit Klappenbroschur, 394 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-8025-8275-2

Von Irene Salzmann

Elena Deveraux war Mitglieder der „Gilde der Jäger“ und spürte für ihren Auftraggeber, den Erzengel Raphael, den Blutengel Uriel auf. Im alles entscheidenden Kampf konnte das entartete Wesen vernichtet werden, aber Elenas Verletzungen waren so schwer, dass sie gestorben wäre, hätte Raphael sie nicht mit seinem Ambrosia geheilt – und zu einem Engel gemacht, dem ersten gewandelten Engel überhaupt.

Ein Jahr ist seither vergangen, während dem Elenas Wunden heilten und die Wandlung vollzogen wurde. Noch immer muss sie sich schonen und langsam lernen, was es heißt, ein Engel zu sein. Dabei haben Raphael und seine Gefolgsleute stets ein waches Auge auf Elena, denn schon bald trachtet jemand nach ihrem Leben, und immer wieder werden Engel und Vampire gefunden, die auf grausame Weise verstümmelt und ermordet wurden. Trotz der Gefahr lässt sich Elena nicht davon abhalten, ihre Gaben als Jägerin einzusetzen, um die Täter ausfindig zu machen. Das ist jedoch gar nicht so leicht, denn der Gegner ist überaus gerissen und scheint gezielt einen Keil zwischen die Erzengel treiben zu wollen; selbst jene, denen Raphael vertraut, könnten die Schuldigen sein. Vielleicht steckt aber auch die Älteste Lijuan, die möglicherweise einen ähnlich verhängnisvollen Pfad als ‚Herrin der Toten‘ wie Uriel eingeschlagen hat, hinter den Anschlägen. Raphael und Elena folgen mit gemischten Gefühlen Lijuans Einladung nach Peking, sehr wohl wissend, dass es sich um eine Falle handelt...

„Engelszorn“ knüpft nahtlos an den Vorgängerband „Engelskuss“ an, auch wenn beide Romane relativ in sich abgeschlossen sind und man dem zweiten Buch problemlos folgen kann, selbst wenn man den Auftakt nicht zur Lektüre hatte. Natürlich ist das Lesevergnügen sehr viel größer, liest man die Bände in der richtigen Reihenfolge, kennt sich in der Hierarchie der Engel, Vampire und Menschen aus und ist mit den Hauptfiguren, ihren Beziehungen und Konflikten vertraut. Die Handlung hat sich diesmal ins Reich der Engel verlagert, wo sich Elena von ihren Verletzungen erholt, sich notwendiges Wissen über die Engel aneignet, das Fliegen lernt und ihr kämpferisches Geschick trainiert. Sie weiß, dass sie hier nur wenige Freunde hat, denn viele verübeln es ihr, dass sie Raphael in Gefahr brachte und er sich trotz allem in sie verliebte. Vor allem die Eifersucht des Erzengels Michaela muss Elena fürchten. Im Laufe der Geschichte erfährt man mehr über die Vergangenheit der beiden Frauen, und noch einige weitere Geheimnisse werden enthüllt.

Auf die durch Gewalt regierte Hierarchie und ihre Traditionen wird leider nicht weiter eingegangen. Wie schon in ihrer „Gestaltwandler“-Serie beschränkt sich Nalini Singh darauf, ein interessantes Gesellschaftssystem anzureißen, statt es weiter auszuführen und mehr werden zu lassen als eine dünne Kulisse. Schade, denn aus einem komplexen Hintergrund hätten sich viele neue Möglichkeiten schöpfen lassen. Auch versäumt es die Autorin, eine wirklich packende Handlung aufzubauen, da sie sich zu sehr in die Beziehung von Raphael und Elena vertieft. Zwar spielen die beiden nicht mehr Katz‘ und Maus miteinander, sondern sind ein Paar, das zusammenhält und sich regelmäßig seine Liebe beweist, aber um Elena nicht zu verletzten, hält sich Raphael zurück, was für beide unbefriedigend und für den Leser ab einem bestimmten Punkt nicht mehr glaubwürdig ist. Obendrein wird dadurch die Handlung sehr verwässert, und die Spannung bleibt auf der Strecke. Selbst die grausame Lijuan, deren Auftritt erst wenige Seiten vor dem Ende erfolgt, wirkt relativ harmlos. Das Finale ist dann auch sehr schnell abgehandelt, als hätte die Autorin plötzlich bemerkt, dass sie ihr Seitensoll erfüllt hat. Von der Begegnung mit Lijuan, auf die das Buch von Anfang an hin arbeitete, hat man sich wirklich mehr erhofft.

Nalini Singh schreibt unterhaltsam und hat sehr interessante Ideen, die sie leider nicht ausnutzt, da sie das romantische Geplänkel und die erotischen Szenen zu sehr in den Vordergrund schiebt. Das mag den Fans der Paranormal Romances, denen der phantastische Background mehr oder weniger egal ist, gefallen, aber die Freunde der Phantastik, die eine überzeugende Handlung anstelle von endlosem Bettgeflüster wünschen, sind mit einem anderen Titel besser beraten.