Richelle Mead: Dornenthron – Dark Swan 2 (Buch)

Richelle Mead
Dornenthron
Dark Swan 2
(Thorn Queen)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Frank Böhmert
Titelillustration von Max Meinzold
Lyx, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 360 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-38025-8212-7

Von Carsten Kuhr

Gestatten, dass ich mich vorstelle, ich bin Eugenie Markham und verdiene mir meinen Lebensunterhalt recht mühsam als Schamanin. Ja, ich kann mir jetzt gut vorstellen, was da vor Ihrem geistigen Auge auftaucht –Schamanin, das hört sich an, als ob ich in direkter Nachkommenschaft der indianischen Medizinmänner im Baströckchen und mit einem Tierkopf auf dem Haupt um ein Feuer tanz, und eine Trommel schlage. Wenn ich wirklich Glück habe, sehen Sie mich als alternativ-abgedrehte Kräuterhexe, ungepflegt in Naturstoffen gekleidet und meine Naturmedizin selbst anbauend, bevor ich des Nachts unter dem Mond nackt zur Tat schreite. Beide Auffassungen sind, verzeihen sie mir den Ausdruck, Bullshit!

Ich muss meine Rechnungen genauso wie Sie alle bezahlen, gehe zum Einkaufen in den Supermarkt und wasche Wäsche. Damit mein Konto nicht dauernd im roten Bereich bleibt, treibe ich Geister aus und sorge dafür, dass die Bewohner der Anderswelt jenseits der Tore bleiben oder zumindest wieder dorthin verschwinden. Zugegeben, dass ich gerade mit einem Werfuchs zusammen bin ist vielleicht nicht ganz normal, doch irgendwie muss ein Mädchen heutzutage schauen, wo es bleibt. Und dann gibt es noch ein klitzekleines Geheimnis – in der Anderswelt bin ich als ihre Majestät, Königin Eugenie Markham, genannt, Odile Swan, Tochter von Tigran dem Sturmkönig, Beschützerin des Dornenlandes und Liebling der Dreifachen Mondgöttin bekannt. Ähm, ich schäme mich auch fast schon ein wenig.

Ich habe das nicht gewollt, wirklich nicht, und die mit der Königswürde einhergehenden Kräfte und die Verantwortung schon gar nicht. Doch dann verschwinden Untertanen von mir – unschuldige Mädchen, die in die Erdenwelt verschleppt werden, ein abgewiesener Liebhaber entführt mich, mein geliebter Kiyo interessiert sich zu sehr für seine Ex und ihr gemeinsames Kind und der Feenkönig Dorian macht mir weiterhin den Hof – und löst wohlige Schauer in meinem Bauch aus – obwohl ich ihn eigentlich gar nicht leiden kann; auch wenn er sexy aussieht …

Richelle Mead erklomm die internationalen Bestsellerlisten mit ihrer „Vampire Academy“-Serie. Hier lag sie genau im Trend, berichtete sie doch von einer jungen Frau, die sich im Internat in ihren Lehrer verliebt, der später dann zum – bösen – Vampir gewandelt wird. Dazu gesellte sich eine sorgfältig entworfene Vampir-Gesellschaft, Freundinnen, erste sexuelle Erfahrungen und jede Menge Zickenkrieg. Kein Wunder, dass sich die Romane verkaufen wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Demgegenüber geht es in der „Dark Swan“-Reihe doch deutlich erwachsener zu. Zwar gibt es auch hier jede menge emotionaler Verwicklungen, doch schon die Wahl der Protagonistin, einer jungen Frau, die selbstbewusst ihre Frau auch gegen alle Widrigkeiten und Anfeindungen steht, macht deutlich, dass sich die Bücher an eine ältere Leserschicht richten. Statt pubertärer Verliebtheiten geht es um Vergewaltigung und Verantwortung, um Verrat und Vertrauen und um Sex. Letzterer steht zwar nicht im Mittelpunkt, wird aber, wenn er auftaucht, deutlich und in Einzelheiten geschildert. Immer wieder auch kokettiert die Autorin mit SM-Anspielungen, ohne dass diese letztlich wirklich im Detail geschildert würden.

So interessant die – wenigen – Figuren ausgestaltet wurden, so diffus bleibt nach wie vor der Hauptschauplatz der Handlung: die Anderswelt. Hier, in den unterschiedlichen Königreichen, in denen je nach Herrscher ganz andere Naturgegebenheiten Seite an Seite existieren, spielt zwar ein Großteil des Plots, dennoch nutzt die Autorin die Bühne(n) für meinen Geschmack zu wenig. Gerade weil sich das Land, fast schon symbiotisch den jeweiligen Herrscher anpasst, weil Bodenschätze und Witterung auf dessen Vorlieben ausgerichtet werden, könnte man hier faszinierende Settings aufbauen. Doch noch konzentriert sich Mead auf ihre Eifersüchteleien und Verliebtheiten.

Das liest sich zwar nett und flüssig, hat durchaus seinen Reiz, geht aber nicht wirklich in die Tiefe. Schnell zu konsumierende Fantasy, nicht uninteressant, aber mit jeder Menge ungenutztem Potential.