Frank Festa (Hrsg.): Der Cthulhu-Mythos 1976 – 2002 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 15. Oktober 2010 16:04
Frank Festa (Hrsg.)
Der Cthulhu-Mythos 1976 – 2002
H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens 12
Titelillustration von Philippe Jozelon
Festa, 2010 (überarbeitete Neuausgabe), Hardcover, 296 Seiten, 26,00 EUR, ISBN 978-3-3935822-52-9
Von Carsten Kuhr
H. P. Lovecraft dem Leser Phantastischer Literatur vorzustellen, das hieße Elen nach Athen tragen. Wie kaum ein anderer vor oder nach ihm hat der Einsiedler aus Providence die unheimliche Literatur mit seinem Oeuvre geprägt. Obwohl ihm zu Lebzeiten der große Erfolg und die Anerkennung versagt blieben, hat er damals wie heute Kollegen und Freunde dazu inspiriert, sich der von ihm geschaffenen Welt anzunehmen und um weitere Geschichten rund um die Großen Alten zu bereichern.
Frank Festa hat es sich zur Aufgabe gemacht, die besten dieser Erzählungen zusammenzutragen und in einer zweibändigen Ausgabe dem deutschsprachigen Leser zugänglich zu machen. Nachdem die beiden Bände seit Jahren vergriffen waren, sind nun Neuauflagen erschienen. Die handwerklich vorbildlich gearbeiteten Bände sind nicht eben preiswert, die Frage ist, ob sie trotzdem ihren Preis wert sind. Um die Antwort auf diese Frage gleich vorwegzunehmen: ich denke, dass die gebotene Vielfalt und die vorzüglichen Übersetzungen den Obolus, den man für die beiden Sammelbände berappen muss, sicherlich gut angelegtes Geld ist, nimmt man diese Titel doch gerne auch öfter einmal zur Hand, liest die eine oder andere Story erneut oder gar den ganzen Band wiederholt.
Nachdem im ersten Teil die Geschichten der Jahre 1917 bis 1975 enthalten waren, wendet sich der Herausgeber dieses Mal dem Zeitraum 1976 bis 2002 zu.
Gleich zu Beginn des Bandes, an zweiter Stelle, erwartet den Leser ein absolutes Highlight. Ramsey Campbell, ein Name, der schon lange für Qualität im Weird-Fiction-Bereich bürgt, berichtet uns in „Die Stimme des Strandes“ von zwei Bekannten. Freunden wage ich sie nicht zu nennen, die gemeinsam an der Küste in einem einsamen Strandhaus einen Urlaub verbringen. Dass sie den Ruf der Großen Alten vernehmen, sich ihm hingeben und schlussendlich ihr Menschsein verlieren, wird atmosphärisch unheimlich dicht und gruselig beschrieben. Man vermeint förmlich den Ruf selbst zu vernehmen, hört angstvoll und doch gebannt nach draußen, wohlwissend, dass man in der relativen Sicherheit seines Heimes sitzt, aber doch mit einem nervösen Herzklopfen, ob da nicht doch etwas Dunkles, aus grauer Vorzeit seine Fühler in unsere Welt ausstreckt. Diese Geschichte alleine wäre es wert, das Geld für das Buch zu berappen.
Daneben fielen mir von den insgesamt elf Geschichten ausgerechnet die Beiträge deutschsprachiger Autoren positiv auf. Sei es Michael Siefener, der in „Bilderwelten“ vom Leben und Werk eines von den Großen Alten inspirierten Malers und dessen Käufer, in dessen Beschreibung man unschwer den Autor wiedererkennen kann, portraitiert, oder Malte M. Sembten, der in „Die Krakelkult-Kampagne“ die moderne Werbemaschinerie in den Dienst Cthulhus stellt oder gar Christian von Aster, der uns in „Ein Portrait Torquemadas“ von einer bitterbösen und unheiligen Allianz der katholischen Kirche berichtet.
Sie alle fügen dem Mythos neue, ungewohnte Seiten hinzu, überraschen den Leser durch so bislang nicht gelesene Motive und machen den Band zu einer wahren Entdeckung gerade auch für Freunde der heimischen Autoren.