Eoin Colfer: High Fire - König der Lüfte (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 05. Mai 2021 14:55
Eoin Colfer
High Fire - König der Lüfte
(Highfire, 2020)
Übersetzung: Marcel Aubron-Bülles
Heyne, 2021, Paperback, 446 Seiten, 16,99 EUR (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Carsten Kuhr
Das Mississippi-Delta, von den Einheimischen Bayou genannt, ist eine Gegend, in der das Leben noch etwas geruhsamer abläuft. Die Bewohner, die Cajuns, kümmern sich zumeist um ihre eigenen Angelegenheiten - die schwüle Hitze sorgt dafür, dass körperliche Aktivitäten in aller Regel eher zurückgestellt werden.
Die wilden Mangrovenwälder mit ihren unzähligen Flussarmen dienen dabei seit Jahrzehnten Schmugglern wie Schwarzbrennern als Versteck, in dem die Ordnungsmacht auf verlorenem Posten steht. Der Moonshine wird nach altem Rezept gebrannt und vertrieben, in neuerer Zeit kamen Waffen und Schmuggelhandel hinzu.
Squib, vierzehnjähriger Tunichtgut, will seiner alleinerziehenden Mutter helfen. Nicht nur, dass diese mit unzähligen Nachtschichten im Krankenhaus auf dem Zahnfleisch geht, auch sein genetischer Erzeuger hat sie sitzen lassen. Der Junge macht für einen der örtlichen Geschäftsmänner - man könnte diesen natürlich streng genommen als Verbrecher bezeichnen - Botengänge. Dass der korrupte Sheriff Hooke es auf seine durchaus attraktive Mutter abgesehen hat (und wenn sie nicht willig ist, dann gibt es Mittel und Wege doch an sein Ziel zu kommen), verkompliziert die Lage zusätzlich.
Dass Squib, mitten im Bayou, Zeuge eines Mords des Sheriffs wird, setzt ihn ganz oben auf die Liste der Personen um die sich Hooke kümmern muss - dauerhaft kümmern, versteht sich.
Ein Granatwerfer und automatische Waffen sind im Spiel, als Squib während seiner Flucht durch die Sümpfe auf etwas trifft das es nicht geben sollte - einen echten Drachen. Besser gesagt, den letzten seiner Art.
Lord Highfire, König der Lüfte und Vern genannt, vertreibt sich seine Zeit mit dem Anschauen von Kabel-TV-Serien, dem Trinken von Wodka und den Erinnerungen an eine bessere Zeit. Damals, als die Drachen noch über die Erde herrschten, als die Menschen ihnen untertan waren - bis diese auf die Idee kamen, ihre Herren mit spitzen Ästen anzugreifen und vom Jahrhunderte währenden Leben in den Tod zu befördern. Jetzt herrscht er nur mehr über die Alligatoren des Sumpfes, bestellt, online versteht sich, seine „Flashdance“-T-Shirts und grummelt leicht depressiv und gelangweilt vor sich hin.
Dass der Junge ihn gesehen hat sollte eigentlich zwangsläufig dazu führen, dass dieser den Sonnenaufgang nicht mehr erblicken darf. Man beachte den Konjunktiv - denn irgendwie hat Squib das Herz ja am rechten Fleck, wird vom Schicksal nicht eben begünstigt und Vern braucht gerade jemanden, der ihm seine Bestellungen liefert. Als Hooke sich dann auf die Fährte des Jungen setzt, wird Vern aus seiner Lethargie geweckt…
Wir kennen Eoin Colfer als Verfasser der „Artemis Fowl“-Saga. Die Jugendbücher um den genialen Dieb erfreuten und erfreuen sich größten Zuspruchs - nicht von ungefähr wurde der Auftaktband letztes Jahr verfilmt.
Nun also ein Aufbruch zu neuen Ufern. Als Zielgruppe hat Colfer dieses Mal ein älteres Publikum ins Auge gefasst, dem er eine ebenso unterhaltsame wie spannende Geschichte kredenzt. Mit vielen humorvollen Situationen gespickt, warten griffige Figuren auf uns.
Ein alter, ein klein wenig depressiver Drache, ein junger Tunichtgut und ein Fiesling par Excellence - das sind die drei maßgebenden Figuren, um die sich die Handlung rankt. Dabei nutzt der Autor für seine Figuren das einschlägige Repertoire ausgiebig. Die alleinerziehende Krankenschwester, der Junge, der sich als erstaunlich gewieft erweist, der alte, mürrische Drache und der korrupte Bulle - alles Figuren, wie wir sie kennen.
Auch die Handlung in Petit Bateau bietet wenig Überraschendes. Colfer punktet stattdessen mit spritzigen Dialogen, jeder Menge Humor und aberwitzigen Situationen. Etwa, wenn der Drache beschließt abzutreten und der Junge ihm seine mit „Flashdance“-T-Shirts umhüllte Hand tief in der Rachen rammt, um den Suizid zu verhindern - das hat etwas Bizarres, etwas sehr Trauriges und doch auch gleichzeitig eine ungeheuer komische Seite.
Die beiden so unterschiedlichen Wesen, die eigentlich nicht miteinander können, sich dann aber erstaunlich mühelos und überzeugend zusammenraufen, gegenseitigen Respekt verdienen - das hat etwas, ist faszinierend zu lesen und trainiert gleichzeitig die Lachmuskeln. Dabei gibt es eine zu den Figuren passende derbe Ausdrucksweise, die aber in sich stimmig rüberkommt.
„High Fire - König der Lüfte“ ist eine originelle, angenehm flüssig zu lesende, nicht unbedingt sonderlich tiefgründige Story um einen Jungen der zur Rettung die Hilfe eines altersmüden Drachen braucht und diesen dabei aus seinem Dahindämmern weckt - lustig, spritzig und kurzweilig zu lesen.
Erwähnen darf ich noch das toll gestaltete Cover, das neben geprägter Spot-Lackierung auch noch einen kleinen, ebenfalls geprägten Drachen ziert - toll gemacht, Respekt!