Wonderland 2: Jenseits vom Wunderland (Comic)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 15. Oktober 2010 09:49
Raven Gregory, Ralf Tedesco & Joe Brusha
Wonderland 2
Jenseits vom Wunderland
(Beyond Wonderland, 2010)
Aus dem Amerikanischen von Sandra Kentopf
Titelbild von J. Scott Campbell
Zeichnungen von Daniel Leister
Farben von Nei Ruffino
Panini, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 180 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-86201-016-5
Von Christel Scheja
„Alice im Wunderland“ gehört zu den Klassikern der englischen Jugendbuchkultur, die auch heute noch gerne als Grundlage für bizarre Geschichten dienen. Der Hintergrund lädt geradezu dazu ein, die skurrilen Geschehnisse und Figuren mit sehr erwachsenen Horror-Aspekten zu versehen und ihm damit die kindliche Unschuld und Naivität zu nehmen.
Das bewiesen Raven Gregory und Ralf Tedesco bereits in ihrer ersten Graphic Novel „Rückkehr ins Wunderland“, in der die junge Caroll-Ann erfahren musste, dass ihre Mutter nicht ohne Grund wahnsinnig geworden ist, denn sie wird selbst in die grausame Welt des Wunderlandes gezogen, in dem nichts harmlos und unschuldig, wenn auch kurios, sondern eher böse und pervers ist. Am Ende entkommt das junge Mädchen nur durch die Hilfe ihrer Mutter, die sich dafür selbst das Leben nimmt. Doch zu Hause angekommen geht das Grauen weiter, denn nun kommen Dinge ans Licht, die ihre Familie betreffen, vor allem ihren Vater und ihren Bruder. Eine Tragödie nimmt ihren Lauf. Caroll-Ann bleibt am Ende nichts anderes übrig, als ihren eigenen Bruder Johnny ins Wunderland zu schicken, weil er nur dort der Strafe entkommen kann, die ihm durch den Mord am gemeinsamen Vater droht. Dann flieht sie mit ihrem Freund Brandon nach New York, weil sie auch noch von ihrem Großvater erfahren musste, dass sie der Spross eines Geschlechts ist, das über das Wunderland wacht und nicht zulassen darf, dass Alptraumgeschöpfe über die Erde herfallen, und eigentlich in jeder Generation ein Kind geopfert werden muss. Caroll-Ann sieht nicht ein, dazubleiben, denn sie hat mittlerweile erfahren, dass sie selbst schwanger ist. Deshalb will sie ihr Kind vor genau dem Schicksal bewahren, dem sie selbst schon einmal überantwortet wurde.
Doch das Weglaufen nutzt nicht viel, da ihre Alpträume bleiben, selbst wenn sie sich müde arbeitet. Und sie kann nicht verhindern, dass sie sich immer mehr von Brandon entfremdet, bis dieser sie schließlich verlässt. Auch ihre neugewonnene Freundin kann ihr nicht helfen, die in ihrem Inneren schwelende Angst zu besänftigen und sie zu trösten. Denn sie weiß eines: Das Wunderland wird sie nicht so schnell aus seinen Klauen lassen. Dabei ahnt sie noch nicht, wie nahe ihr einige Geschöpfe des Wunderlandes schon sind, denn Johnny hat nicht vergessen, was ihm seine Schwester angetan hat und will zusammen mit der Grinsekatze und der Raupe grausame Rache nehmen. Oder steckt vielleicht sogar mehr dahinter? Auf jeden Fall nutzen die Drei erst einmal die Gelegenheit, sich die Menschen genauer anzusehen, an die Caroll-Ann sich klammert und ihr diesen Halt auf sehr perfide Art wegzunehmen.
Wie auch schon der erste Band so ist nun auch „Jenseits vom Wunderland“ ein reines Horror-Szenario, das sich nicht scheut, Blut und Gewalt zu zeigen. Überraschenderweise fehlt diesmal ganz der erotische Aspekt, die Geschichte, die überwiegend in New York spielt und das Wunderland nur am Rande streift. Die Handlung setzt mehr auf Gewalt und Horror – lässt beides nicht mehr nur schleichend einfließen, sondern gleich mit voller Wucht über die ahnungslosen Menschen kommen. Sorgfältig inszenieren Autoren und Künstler das Grauen, lassen dabei aber die Heldin erst einmal außen vor. Dabei erfährt man weitere Aspekte der Familiengeschichte – und wie es letztendlich auch zu der Position der Familie Liddell gegenüber dem Wunderland gekommen ist.
Sicherlich sind manche Enthüllungen und Geschehnisse nicht gerade neu, fügen sich aber gut in den Hindergrund ein und erweitern den ganz eigenen Kosmos, der das Kauzig-Skurrile der Vorlage in das Pervers-Bizarre eines Horror-Märchens verwandelt. Leider nimmt die Gewalt diesmal aber auch überhand, denn die Kreaturen aus dem Wunderland hinterlassen eine sehr blutige Spur voller Gedärme. Nicht selten ist man geneigt, sich nach dem Sinn des Ganzen zu erkundigen. Alles in allem ist die Geschichte zwar immer noch sehr angenehm zu lesen, kommt aber nicht mehr ganz an den ersten Band, „Rückkehr ins Wunderland“, heran, da sich die Autoren und Künstler wiederholen. Die Geschichte wird stellenweise – gerade zum Ende hin – sehr vorhersehbar und verliert dabei viel an Kraft und Spannung. Wirklich interessant ist nur die Entwicklung von Johnny und die Hintergrundgeschichte der Familie. Das Ende selbst ist zudem noch ein Cliffhanger, der geradezu danach schreit, sich auch die Fortsetzung holen zu müssen.
„Jenseits vom Wunderland dürfte all den Lesern gefallen, die bereits „Rückkehr ins Wunderland“ mochten und von zynisch-grausamen Horror-Stories mit viel Blut und Gedärmen nicht genug bekommen können. Allerdings ist die zweite Graphic Novel inhaltlich etwas flacher und durchschaubarer gehalten als die erste und kommt somit nicht mehr an die böse Hintergründigkeit von „Rückkehr ins Wunderland“ heran.