Ina Elbracht: Klub Tropikal (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 13. Januar 2021 11:46

Ina Elbracht
Klub Tropikal
KOVD, 2020, Hardcover, 76 Seiten, 7,99 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Auch früher schon, lange vor der „Flüchtlingswelle“, gab es - willkommene - Migranten in Deutschland; Gastarbeiter nannte man sie damals. Familien, die aus Spanien, Italien und Griechenland zunächst angeworben wurden, um in Deutschland dort zu arbeiten, wo die Deutschen selbst nicht arbeiten wollten. Inzwischen sind diese in Deutschland heimisch geworden, leben hier integriert und - ja, die erste Generation stirbt auch hier.
So geht es dem Vater einer jungen Frau, die ihm als letzten Wunsch auf dem Totenbett verspricht, das Grab ihres ihr unbekannten Großvaters auf einer der griechischen Inseln zu verlängern. Zusammen mit ihren Mann und der gemeinsamen Tochter bricht sie auf, um den Wunsch zu erfüllen.
Dass sie, dort angekommen, von den sonst so gastfreundlichen Einheimischen geschnitten, ja ausgegrenzt wird, überrascht sie. Als sie erfährt, dass es Sitte ist, die Gebeine der Verstorbenen nach der ersten Ruhezeit im Mausoleum dem Sarg zu entnehmen und gereinigt ins Beinhaus zu überführen, ist sie erstaunt. Der Wunsch ihres Vaters würde eben jenes Vorgehen verhindern - warum nur wollte er der Tradition nicht folgen?
Hängt es vielleicht mit dem Fluch zusammen, der die Familie vor Jahrzehnten bis auf ihren Vater ausgelöscht hat? Und wie nur passt dies alles zur Bauruine des Klub Tropikal?
Ina Elbracht erzählt uns in dieser Novelle eine packende Geschichte, die - zunächst ganz im Hier und Jetzt angesiedelt - langsam, fast behutsam und unmerklich ins Phantastische abgleitet.
Zunächst präsentiert sie uns, sehr einfühlsam geschildert, eine junge Frau am Totenbett ihres Vaters. Mit ihren Geschwistern liegt sie im stillen Zwist, ihr deutlich älterer Mann und ihre Tochter sind ihr Lebensinhalt. Auf der Insel durchläuft sie eine Wandlung. Sie geht auf Entdeckungsreise: Die Familien-Historie, das Verschwinden ihrer Großeltern, Tanten und Nichten vor Jahrzehnten, aber auch ihr eigenes Glück werden hinterfragt und untersucht. Ein amouröses Abenteuer verdeutlicht die Entfremdung von ihrem Mann, die gewisse Haltlosigkeit, die sie offenbart, als sie die ihr gänzlich unbekannte Familiengeschichte aufdeckt. Behutsam fast, aber doch immer deutlicher kommt es zu dem atmosphärisch sehr dicht beschriebenen Abgleiten ins Phantastische. Gekonnt konzentriert sich die Autorin hier auf ihre Ich-Erzählerin, deutet glaubhaft und nachvollziehbar deren Gefühlslage an und entführt uns in ein Zwischenreich des Unwirklichen.