Jeaniene Frost: Nachtjägerin (Buch)

Jeaniene Frost
Nachtjägerin
(First Drop of Crimson)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Sandra Müller und Andreas Kasprzak
Titelillustration von Shutterstock
Blanvalet, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 424 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-7645-3067-9

Carsten Kuhr

Denise MacGregor führte ein glückliches, beschauliches Dasein, manch einer würde auch langweiliges Leben dazu sagen. Mit ihrem Mann war sie zufrieden, ein paar gute Freunde und ein Baby auf dem Weg – was will man mehr. Bis dann eines Tages alles anders wurde. Das Übernatürliche zog in ihre Welt ein. Nicht nur, dass sie Vampire und Ghule kennenlernte, dass sich ihre Freundin Cat als Gevatterin Tot entpuppte, nein, ihr geliebter Mann wurde in einen Vampirkrieg hineingezogen und ermordet.

Nie wieder wollte sie mit dem Übernatürlichen in Kontakt kommen. Jahre hat sie gebraucht, um die Geschehnisse auch nur halbwegs zu verarbeiten, nennen wir es beim Namen: sie zu verdrängen. Seit Kurzem aber sterben erneut Menschen um sie herum. Dieses Mal sind es keine Freunde, sondern Verwandte der jungen Frau. Obwohl sie keiner Risikogruppe angehören, ereilt sie, in kurzen Abständen, ein plötzlicher Herzstillstand. Das kann doch gar nicht mit rechten Dingen zugehen. Und wirklich, beim plötzlichen Herztod ihres Cousins bemerkt sie einen mysteriösen Fremden, der ihren Verwandten stranguliert. Spuren aber sind am Hals des Toten nicht feststellbar, ein Schäferhund grinst sie breit an und entfernt sich gemächlich vom Ort.

Nur zu bald erfährt sie, was hinter der Todesserie steckt. Ein entfernter Vorfahr von ihr hat Anfang des 17. Jahrhunderts mit dem Dämon Rom einen Pakt geschlossen. Für Macht und Unsterblichkeit hat er diesem seine Seele verpfändet. Seitdem aber versteckt er sich in der Vampirwelt, der geprellte Dämon ist verständlicherweise stinkesauer, und macht nun Druck. Wenn Denise ihm nicht ihren Vorfahr ausliefert, wird er nach und nach ihre ganze Familie umbringen. Nun ist guter Rat teuer, weiß sie doch, dass sie allein, noch dazu vom Dämon mit dessen teuflischen Malen gezeichnet, nicht gegen den Höllenabkömmling bestehen kann. Cat und Bone sind nicht erreichbar, doch da gab es ja auch noch einen weiteren, gutaussehenden Vampir. Spade ist zwar ein wenig unnahbar und ruppig, doch in der Not frisst der Teufel Fliegen – wir kennen den Spruch ja. So machen sich unsere beiden auf die Suche nach dem verschollenen Seelen-Zechpreller, geraten dabei in jede Menge Kämpfe, lüften finstere Geheimnisse und verlieben sich so ganz nebenbei noch ineinander ...

Chronologisch hat die Autorin den Wechsel der Handlungsperspektiven nach den bei Blanvalet erschienenen vier Cat und Bone Romanen angesiedelt. Nachdem Cat zwischenzeitlich von der gefürchteten Vampirjägerin selbst zur unsterblichen Nosferatu gewandelt wurde, zog Frost eine Zäsur und wandte sich einem neuen Paar zu. Und das macht sie gar nicht ungeschickt. Zum einen kann sie auf die von ihr entworfene, dem Leser bereits bekannte übernatürliche Urban-Fantasy-Welt zurückgreifen, spart sich hier den Platz, dem Bücherfreund diese zunächst nahebringen zu müssen, und nutzt den dadurch entstehenden Raum dafür, zunächst das in sich überzeugende Bild einer Frau zu zeichnen, die von dem Geschehen, das ihr widerfahren, ist traumatisiert wurde. Dass sie jeglichen Kontakt mit dem Übernatürlichen ablehnt, dass sie panische Angst hat, ist dabei gut nachvollziehbar. Ausgerechnet dieser so schon geschundenen Seele widerfährt nun erneut Böses. Ein Dämon kreuzt ihren Weg, zeichnet und foltert sie, zwingt sie dazu, in seinem Diensten tätig zu werden. Gerade dieser Aspekt der Verleugnung, des schmerzhaften Realisierens ihrer erneuten Verquickung in die Welt jenseits der wissenschaftlichen Grenzen, hat die Autorin sehr einfühlsam und überzeugend dargestellt. Auch die Probleme, die unsere Protagonistin damit hat, ausgerechnet einen Vampir um Hilfe bitten zu müssen und ihre Schwierigkeiten mit den für diesen aufkommenden Gefühlen umzugehen, wird nachvollziehbar thematisiert. Geschickt lässt die Autorin aber auch neue Elemente in ihre Handlung einfließen – Drogenabhängigkeit der Vampire, das ist bislang unbekanntes Terrain. Dass sich unsere Heldin letztendlich als tapfere Kämpferin offenbart ist nicht ganz folgerichtig oder glaubwürdig, trägt aber zum hohen Unterhaltungswert des Romans bei.

Deutlich ausgeprägter als bislang ist die Darstellung der sexuellen Szenen. Hier geht es recht eindeutig und auch ausführlich zur Sache, gleicht sich Frost den erfolgreichen Vorbildern einer MacAllister und Co. ein wenig an.

Der Handlungsbogen selbst ist straff organisiert, die Lektüre angenehm und spannend, so dass Fans der actionreichen Urban Fantasy auf ihre Kosten kommen werden.