Emily Bale: Bittersüße Qualen (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 04. November 2020 12:35
Emily Bale
Bittersüße Qualen
Blue Panther Books, 2020, Taschenbuch, 208 Seiten, 12,90 EUR, ISBN 978-3-96477-843-7 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Irene Salzmann
Sucht man im Internet nach Emily Bale, findet man derzeit nur einen Eintrag: „Bittersüße Qualen“. Zudem heißt es, die Autorin sei Britin, Jahrgang 67 und habe ihr Studium zeitweilig als Domina finanziert. Inzwischen lebt die promovierte Psychologin und Forensikerin mit ihrer Familie in Irland und widmet sich dem Schreiben erotischer Bücher. Sollte dieser Steckbrief nicht fiktiv sein, vermisst man im Buch den Namen des Übersetzers des sehr flüssigen Romans, den bloß wenige ‚Nicht-Muttersprachler‘ so elegant hätten schreiben können, Lektorin (Jasmin Ferber) hin, Lektorin her.
Die Lektorin Audrey wird von ihrer Kollegin und Freundin Vicky gedrängt, endlich aufzuhören, ihrem Ex Roger, der sie wegen einer anderen sitzen ließ, nachzutrauern. Um auf andere Gedanken zu kommen, lässt sich Audrey zu einer Vernissage mit erotischen Malereien abschleppen, wo sie Damon, den geheimnisvollen Künstler, dessen Frau angeblich spurlos verschwunden ist, kennenlernt. In ihrer unbeholfenen Art blamiert sie sich - und verliebt sich trotzdem unsterblich.
Wenig später begleitet Audrey Vicky zu Damons Anwesen, wo sie erfährt, wie er seine Bilder anfertigt. Was sie erlebt, verstört und fasziniert sie zugleich. Obwohl ihr Verstand rät, sich von diesem undurchschaubaren Mann fernzuhalten, sehnen sich ihr Herz und ihre Libido nach ihm, sodass sie seinem Befehl folgt und ihn erst in ihre Wohnung lässt und danach seiner Einladung folgt.
Allerdings werden Audreys Erwartungen jedes Mal grausam enttäuscht. Prompt beschließt sie, sich an allen zu rächen, die sie bloß benutzen wollen. Der Plan geht schief, weil sie ausgerechnet Roger, der wieder solo ist, dazu einspannt und sie die Kontrolle über ihn verliert. Tief in ihrem Innern weiß sie aber auch, dass in ihrem Leben eine Lücke bliebe, wenn es geklappt hätte. Und noch immer rätselt sie, welchen Weg sie einschlagen soll.
Das Cover mit der kunstvoll gefesselten Frau und der Text auf der Rückseite des Buchs geben dem Leser die notwendige Information: in „Bittersüße Qualen“ geht es um BDSM und wie eine Frau, die mit beiden Beinen fest im realen Leben verankert ist, ihre (naja) dunklen - besser: devoten Seiten entdeckt.
Während sich in vielen Romanen zu diesem Thema die Protagonistinnen wissentlich in ein Dominus-Serva-Verhältnis begeben, hat Audrey nicht die geringste Ahnung, was sie erwartet und reagiert entsprechend. Die Unterwerfung und der Schmerz machen sie schon an, aber die vor allem psychischen Demütigungen gehen zu weit, es gibt keine Belohnung, und sehr bald kann Audrey weder Vickys noch Damons Beteuerungen länger glauben. Vielleicht sind die beiden Psychopathen, und sie soll genauso verschwinden wie Damons Frau?
Damit begeht der ‚ach, so tolle‘ Dominus sämtliche Fehler, vor denen in den Sachbüchern zu Dominanz-Unterwerfung (unter anderem bei Blue Panther Books) gewarnt wird: Damon lässt Audrey im Unklaren darüber, was er will, was er vor allem von ihr will. Sie soll selbst herausfinden, auf was sie sich einlässt, und erkennen, welche Bedürfnisse sie insgeheim hegt - und ihn nebenbei auch noch therapieren. Dabei tastet er sich keineswegs vorsichtig an ihre Grenzen heran, sondern nutzt egoistisch ihre Schwächen zu seinen Zwecken. Dass Audrey wütend wird, nachdem sie dies durchschaut hat, liegt auf der Hand.
Man gönnt ihr daher auch die Rachepläne, sieht sich jedoch enttäuscht, als ihre kleinen Ausflüge ins Domina-Reich zum Rohrkrepierer werden, da sie gleich wieder einknickt, sobald sie sich gegen Vicky, Damon und Roger psychisch und physisch nicht mehr wehren kann.
Am besten herausgearbeitet hat die Autorin die inneren Konflikte der Hauptfigur, wohingegen das scheinbare Geheimnis um Damons frühere Frau enttäuscht. Es würzt zwar eine gefällige Handlung, doch die hält letztendlich nicht, was andeutungsweise versprochen wurde. Auch das glückliche Ende, das man der Protagonistin gönnt, erweist sich als zu süß, happy und realitätsfern; nach Bondage (Cover) fragt man schon gar nicht mehr.
Emily Bale schreibt unterhaltsam und wartet mit einer richtigen Handlung sowie Spannungsmomenten auf. Leider werden die Erwartungen nach den Andeutungen nicht erfüllt. Die Protagonistin ist eine richtige „Prinzessin auf der Erbse“, die bloß jammert, selber nichts tut oder ihre Vorhaben in den Sand setzt und trotzdem den Prinzen bekommt. Dass man das Buch dennoch positiv bewertet, verdankt es dem flotten, unterhaltsamen Stil und dem Umstand, dass es einen Plot mit mehr oder minder überraschenden Wendungen gibt.