Sean Williams: Die Blutschuld – Die Bücher des Kataklysmus 2 (Buch)

Sean Williams
Die Blutschuld
Die Bücher des Kataklysmus 2
(The Blood Debt)
Aus dem australischen Englisch übersetzt von Michael Krug
Otherworld, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 590 Seiten, 14,95 EUR, ISBN 978-3-8000-9520-9

Carsten Kuhr

Alles beginnt damit, dass Sals Vater, den sie immer noch innerlich ablehnt, versucht, seine geliebte Frau die er dereinst an einen anderen verloren hat, auf die Welt zurückzuholen. Mit aus den Archiven der Himmelswächter entwendeten Artefakten erschafft er tief in der unwirtlichen Zwischenödnis der Steppe aus diesen mittels seiner Magie ein künstliches Wesen. Statt aber dem Geist seiner Frau ein neues Gefäß zu bieten, erhebt sich ein Homunkulus – ein Wesen, das auf seiner Spur nicht nur die Magie auslöscht, sondern sich zielgerichtet auf eine alte Stadt mitten in der Kluft zubewegt.

Tom, ein Himmelswächter, ahnt, dass nur die verbannten Sal und Shilly das Rätsel lösen und Schlimmes verhindern können. Und tatsächlich gelingt es ihm, die Beiden in ihrem Küstenversteck zu finden und davon zu überzeugen, dass sie helfen müssen.

Zur gleichen Zeit macht sich der angehende Steinmagier Skender auf, seine verschollene Mutter zu suchen. Die erfahrene Archäologin ist in der Nähe der Kluft verschollen. In der Stadt Laure verliert sich ihre Spur. Bei der Erkundung der Höhlensysteme unterhalb der Stadt, in der Wasser kostbarer als Blut ist und die Blutmagie regiert, lernt er die Bergmännin Chu kennen. Mit ihrer Hilfe gelingt es ihm, von der Herrscherin der Stadt die Erlaubnis zu bekommen, Chus beschädigte Flügel zu reparieren. Mit den metallenen Flügeln und der auf diesen aufgebrachten magischen Runen vermögen es die wagemutigen Flieger der Stadt nicht nur in die Lüfte zu erheben, sondern auch zum Grund der Kluft abzutauchen um dort die so wertvollen Artefakte aufzusammeln, die der Stadt ihren Reichtum und das Überleben sichern. Und die Spur seiner Mutter führt von der Zwillingsstadt Laures mitten hinein in die Kluft – zu der es auch den Homunkulus drängt. So stoßen die beiden Expeditionen aufeinander und schicken sich an, gemeinsam eine gefährliche Welt zu erforschen – eine Welt der Geister, in der Gefahren auf unsere Protagonisten lauern, die sie an den Rand ihrer Kräfte führen und darüber hinaus ...

Was sich auf den ersten Blick als eine der üblichen Fantasy-Questen, oder doch gar mehrere, der Abenteuerfahrten anlässt, das überrascht durch eine so noch nicht gelesene Anlage, ungewöhnliche Gestalten und eine Welt, die den Leser langsam aber sicher in ihren Bann zieht und nicht mehr aus ihren Klauen lässt. Schon in seinem Prequel überraschte Williams mit einer ganz eigenen Weltanlage, die weit von den sonst so eintönigen Tolkiensquen Reminiszenzen entfernt ist. Das Gebotene erinnerte an apokalyptische Weltuntergangsszenarien. Vorliegender Band orientiert sich demgegenüber auf den ersten Blick eher an üblichen Fantasy-Plots. Mehrere Gruppen machen sich, natürlich aus hehren Motiven, auf ins Abenteuer. Doch wer nun meint genau zu wissen, was ihn hinter jeder Biegung erwartet, wie die Handlung sich fortentwickeln wird, der sieht sich überrascht um. Immer wieder streut Williams eigene Ideen und überraschende Entwicklungen ein. Insbesondere mit seinem Handlungsort der Zwischenödnis schafft er sich eine Bühne, die auf seine Leser wirkt. Man fühlt sich förmlich in die Weite der Landschaft versetzt, glaubt, am Horizont das Gebirge und später die tiefe Kluft auftauchen zu sehen und in diese uns fremde, zugleich aber faszinierende Welt einzutauchen.

Natürlich spielt er hier, dies aber virtuos, mit der Erwartungshaltung seiner Leser, präsentiert ihnen auf den ersten Blick Vertrautes, bevor er dann seine eigene Schöpfung offenbart. Das wirkt frisch und innovativ, überrascht immer wieder und macht den Roman, gerade auch im Vergleich zu der doch so manches Mal etwas schwierigen Lektüre des ersten Bandes der Bücher des Kataklysmus, zu einem Selbstläufer.