Suzanne Collins: Die Tribute von Panem X - Das Lied von Vogel und Schlange (Buch)

Suzanne Collins
Die Tribute von Panem X - Das Lied von Vogel und Schlange
(The Ballad of Songbirds and Snakes - A Hunger Game Novel, 2020)
Übersetzung: Sylke Hachmeister und Peter Klöss
Oetinger, 2020, Hardcover, 608 Seiten, 26,00 EUR, ISBN 978-3-7891-2002-2 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Es gibt wenige phantastische Buch-Reihen, die es mit dem Hype um Harry Potter auch nur annähernd aufnehmen können. Sicherlich, Rick Riordans Percy Jackson kommt einem in den Sinn, Eoin Colfers Artemis Fowl oder die Saga „His Dark Materials“ aus der Schreibstube Philip Pullmans,dazu Stephenie Meyers „Bis(s)“-Romane, doch so wirklich an Potter heranreichen konnten auch diese nicht.

Dies hat nur eine Schöpfung geschafft, Suzanne Collins’ Saga um die Tribute von Panem. Wunderbar filmisch umgesetzt, hat die dystopische Reihe die Herzen von Lesern und Filmzuschauern auf der ganzen Welt im Sturm erobert.

Und wie dies so ist, bei einem Mega-Erfolg, die Fans und der Verlag wollen mehr. Nun also hat sich Suzanne Collins wieder an die Tastatur begeben und ein Prequel geschrieben, also die Vorgeschichte um die bekannte Handlung.

Sie ging dabei 65 Jahre zurück, zum zehnten Jahr nach dem Ende des Krieges (das X im Titel erklärt sich so).


Seit einer Dekade kämpfen junge Menschen aus den verschiedenen Distrikten in den Hungerspielen, die an die dunklen Tage des Krieges erinnern und die Macht des Kapitols deutlich machen sollen. Selbst manche angesehenen Familien des Kapitols spüren die Entbehrungen und Nachwirkungen des Krieges. Von den Snows sind nicht mehr viele übrig; Coriolanus, seine Cousine und seine Großmutter versuchen den Schein aufrechtzuhalten, auch wenn sie darben, ihren Reichtum und Einfluss verloren haben.

Will er der Familie gerecht werden, Karriere machen und den verlorenen Wohlstand wieder herstellen, muss er studieren. Ein Stipendium muss her, so dass er das neu geschaffene Mentoren-Programm für die Hungerspiele als Chance nutzen will wieder zu altem Ansehen aufzusteigen. Dass er ausgerechnet ein Mädchen aus Distrikt 12 zugeteilt bekommt, die vermutlich schnell ausscheiden wird, hebt seine Chancen auf einen Platz im Rampenlicht nicht unbedingt. Als er dann aber Lucy Gray kennenlernt, wendet sich das Schicksal.


Wer hat ihn nicht vor Augen: Präsident Coriolanus Snow, der machtbesessene, intrigante und mitleidlose Präsident von Panem. Dies nun ist die Geschichte, die zeigt, wie aus dem stolzen, ehrgeizigen aber damals noch recht integren Jungen der Despot wurde, den wir aus den Büchern und/oder Filmen kennen und hassen gelernt haben.

Sein Schützling und er bilden ein Team, wie es gegensätzlicher kaum sein könnte. Einer wird seinen Weg machen, wird erkennen, dass er, um die Spitze der Machtpyramide, die er zu erklimmen sucht, zu erreichen gnadenlos gegen sich und andere sein muss, während die andere an den Hungerspielen zerbrechen könnte.

Collins gelingt es von der ersten Seite an, ihre ganz eigene Erzählweise, ihren unverwechselbaren Stil auch in diesen Roman zu transferieren. Geschickt baut sie immer wieder Verbindungen zu der späteren Handlung auf, erklärt so Einiges, was in den Büchern bislang offen blieb.

Der besondere Lese-Sog, den die Fans der Serie attestierten, stellt sich auch vorliegend ein. Auch wenn, vielleicht gerade weil Snow als menschlich dargestellt wird, ist er als Charakter interessant und seine Entwicklung nachvollziehbar. Auch das Setting, das Kapitol wie auch die Distrikte, ist noch weit urwüchsiger, primitiver und ohne viel Technik angelegt und unterscheidet sich so von den späteren Bildern.

In sich ist das Bild eines früheren Panem stimmig, erfährt man viel über die Grundlagen, die erst zu den Ausprägungen aus der bekannten Serie geführt haben.

Fans der Bücher und Filme werden dieses Buch lieben und verschlingen - Neuleser sollten aber doch besser zunächst die ersten „Panem“-Titel goutieren, bevor sie zu diesem Band greifen - die sind nämlich, von der inneren Dramatik her, noch einen Tick besser.