Chris McGeorge: Der Tunnel - Nur einer kommt zurück (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Montag, 11. Mai 2020 17:34
Chris McGeorge
Der Tunnel - Nur einer kommt zurück
(Now you see me, 2019)
Übersetzung: Karl-Heinz Ebnet
Knaur, 2020, Paperback, 346 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-426-22709-1 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Gunther Barnewald
Erst einmal ein großes Lob den Schöpfern des Covers und überhaupt dieses Titels, welcher mit seiner haptisch interessanten rau-griffigen Oberfläche (vor allem in der Tunneldecke) fast die Konsistenz eines Tunnels widerspiegelt und auch sonst einen echten Hingucker (und Hinfühler!) darstellt. Geschickt eingearbeitet darin der Titel des Romans und der Name des Autors. Einfach wunderprächtig!
Auch der Autor macht seine Sache gut, zumindest bis er 80 Prozent der Seiten hinter sich hat. Leider passiert dann jenseits der Seite 265 (bei insgesamt etwas mehr als 340 Seiten Gesamtlänge) das große Unglück, und der Autor offenbart eines Rätsels Lösung, die leider so dermaßen trivial und abgegriffen ist, dass man sie schon von Dutzenden Hollywood-Filmen, TV-Produktionen oder Büchern her kennt, dass dem Leser einfach nur die Spucke weg bleibt!
Doch der Reihe nach: Robin Ferringham ist noch immer nicht darüber hinweggekommen, dass seine geliebte Partnerin Samantha vor mehr als vier Jahren in der Nähe von Marsden spurlos verschwunden ist. Um sich zu trösten, hat er ein Buch darüber geschrieben, welches sich aber eher suboptimal verkauft.
Als er durch Zufall erfährt, dass vor Kurzem in Marsden ebenfalls fünf junge Leute in einem Tunnel verschwunden sind, den man nur mit einem Boot befahren kann, weckt das sein Interesse. Denn der einzige Überlebende der Bootsfahrt, dem man die Ermordung seiner Freunde vorwirft, ruft Robin aus dem Gefängnis heraus an und erzählt ihm Dinge über Samantha, die der junge Mann (Matthew) eigentlich nicht wissen kann, außer er hatte mit ihr gesprochen.
Deshalb reist Robin nach Marsden, um den Fall zu untersuchen, und, vermittels einer Internetaktivistin namens Sally, gelingt es ihm, etwas Licht in das Dunkel des Tunnels zu bringen (im wahrsten Wortes Sinn!).
Plötzlich bestehen Zweifel an Matthews Schuld, weshalb der junge Mann bis zur Verhandlung aus dem Gefängnis entlassen wird gegen Kaution.
Aber bevor Robin mit ihm reden kann, verschwindet Matthew und alle glauben wieder, er sei doch der Täter. Als Robin auch noch von Einwohnern Marsdens wegen seiner Einmischung, die scheinbar dem Täter geholfen hatte zu verschwinden, verprügelt wird, scheint alle Hoffnung zu schwinden, Sam jemals wiederzufinden oder wenigstens zu erfahren, was mit ihr geschah.
Dann nimmt der Fall aber doch noch eine tragische Wendung...
Chris McGeorge gelingt es auf den ersten 260 Seiten, die Spannungsschraube immer mehr anzuziehen, eine Geschichte zu erzählen, die den Leser nicht nur mit Haut und Haaren, sondern auch noch gleich an der Seele packt.
Dann beginnt das große Entblättern der Geheimnisse, und hier gelingt es dem Autor dann leider nur noch bedingt, originell zu sein, denn gerade das erste Geheimnis ist eine absolut derbe Enttäuschung für den Leser.
Zwar gibt es danach auch noch die Frage (ähnlich des bekannten Locked Room Mystery) wie die fünf jungen Leute aus dem Tunnel verschwinden konnten, wenn nur der bewusstlose Matthew am anderen Ende auftauchte und es keine anderen Ausgänge zu geben scheint und niemand mehr im Tunnel ist? Dieses wird dann zwar recht originell gelöst, aber leider ist hier der Eindruck schon verdorben durch die erbärmliche und armselige Auflösung des Rätsels von Sams Verschwinden.
Befriedigend ist sicherlich, dass alle Geheimnisse zum Ende hin gelöst werden, alle Fragen geklärt, aber leider auf Kosten abgegriffener Klischees.
Trotzdem gelingt dem Autor ein äußerst spannender Roman, mit interessanten Charakteren und einer äußerst einnehmenden gruseligen Atmosphäre, auch wenn schlussendlich alles Übernatürliche verschwindet und weg erklärt wird. Vielleicht hätte man sich hier vom Autor etwas mehr Mut gewünscht, auch mal den Weg in Richtung Phantastik zu gehen.
So bleibt ein trotz allem lesenswertes, packendes und atmosphärisches Abenteuer, das leider das hohe Niveau der ersten 260 Seiten auf den letzen 80 Seiten nicht mehr halten kann und durch einen äußerst schwachen Plot den Leser leider sehr enttäuscht kurz vor Ende der Geschichte.