Arthur Machen: Der Schrecken - Eine Fantasie (Buch)

Arthur Machen
Der Schrecken - Eine Phantasie
(The Terror and other, 1917)
Übersetzung: Joachim Kalka
Elfenbein, 2020, Hardcover, 158 Seiten, 22,00 EUR, ISBN 978-3-96160-023-6

Rezension von Carsten Kuhr

Britannien wankt, fällt aber nicht. Als Weltreich, als Gottes große Nation unter dem König, weiß man als Gentleman was sich gehört. Das müssen auch die Herausgeber und Journalisten im Weltreich verinnerlichen, als ihnen, im zweiten Jahr des Krieges, von der Obrigkeit eine Zensur ohnegleichen auferlegt wird. Über rätselhafte Vorkommnisse, über Verbrechen und über den Verlauf des Krieges gegen das Deutsche Reich darf und wird 1915 nicht geschrieben.

Zwar ist es einem Jeden, der zwischen den Zeilen lesen kann klar, dass es im Krieg auf dem Festland kaum vorangeht, schließlich werden vom Kriegsministerium keine triumphalen Erfolge mehr gemeldet, doch der Status Quo in den Schützengräben wird, noblesse obliege, totgeschwiegen. Die Opfer, die zu beklagen sind, sprechen allerdings eine deutliche Sprache.

Als sich in verschiedenen Gegenden der Britischen Inseln rätselhafte Todesfälle und Verbrechen häufen kommen Ängste auf. Ist der Hunne vor Ort? Sind die deutschen Agenten bemüht, die Moral des Empire zu untergraben? Droht eine Invasion, oder ist sie gar schon im Gange?

Menschen verschwinden, andere werden ermordet aufgefunden, rüstungsrelevante Fabriken werden von Unfällen heimgesucht. In den Zeitungen liest man davon nichts, doch Gerüchte kann man letztlich nicht unterbinden oder verbieten, und die Angst beginnt umzugehen...


Der kurze Roman „Der Schrecken - Eine Phantasie“ erschien erstmals 1917 und beleuchtet auf sehr eigene Weise die ersten Jahre des Ersten Weltkriegs. Nicht etwa in die Schützengräben entführt uns der Autor, einem Ort, an dem er bestimmt mehr als genug Situationen und Ereignisse vorgefunden hätte um seine Leser zu verstören, nein, Machen bleibt zu Hause.

Zunächst berichtet er uns von unzusammenhängenden Vorkommnissen. Menschen werden getötet, Tiere verhalten sich ungewohnt - die rätselhaften Vorfälle häufen sich. Doch was oder wer steckt dahinter?

Gleichzeitig hält er den Menschen einen Spiegel vor. Die um sich greifende Nervosität, Gerüchte die verbreitet werden, Angst die sich breit macht. Hier hat er ein sehr scharfes Auge auf seine Mitmenschen. Das ist angesichts der Krisenstimmung, die sich allerorten momentan breit macht, höchst aktuell. Desweiteren thematisiert er - erneut höchst aktuell - eine Natur, die sich gegen den sie vernichtenden Menschen auflehnt.

Der Weg dahin, der Ansatz zunächst diverse Vorfälle, die nichts miteinander zu tun haben, zu präsentieren, erweist sich als erstaunlich modern. Hier nutzt Machen dieselben Ansätze, wie es aktuelle Autoren tun. Für die Zeit der Entstehung sicherlich ein Novum.

Der Roman selbst bietet sich als atmosphärisch dichte Schauer-Geschichte an. Die angesichts der Rätsel erzeugte Spannungskurve bleibt hoch, zeigt uns Menschen, die Angst haben, die sich von ihrer Furcht beherrschen lassen und ist somit höchst auf der Höhe der Zeit.

Beigegeben haben Herausgeber, Verlag und Übersetzer noch drei kurze Geschichten des Autors, die meines Wissens noch nicht ins Deutsche übertragen wurden. Mit dabei „Der Bogenschütze“, eine Geschichte die als Mythos von den „Engeln von Mons“ in Britannien weite Verbreitung erhielt und von der göttlichen Rettung britischer Soldaten vor den Hunnen berichtet. Machen musste hilflos und entsetzt miterleben, wie seine Geschichte zur tröstenden Wahrheit mutierte.