SpookyYarn 1: Dr. Bellwinkels Puppenhaus, Barbara Büchner (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 16. Februar 2020 10:29

SpookyYarn 1
Dr. Bellwinkels Puppenhaus
Barbara Büchner
Hrsg.: Alisha Bionda
Titelbild und Innengrafiken: Shikomo
Arunya, 2016, eBook, 2,99 EUR
Rezension von Elmar Huber
„Früher oder später würden die Wilsons natürlich herausfinden, warum ihr Heim das Puppenhaus genannt wurde, aber das bereitete dem Makler keine Sorgen. Man konnte ihm keine Vorwürfe machen. Die Sache als solche lag schon eine Weile in der Vergangenheit, für alles andere, was so erzählt wurde, gab es keine Beweise, und schließlich hatte jedes Haus seine Geschichte. Wenn die Wilsons eines suchten, in dem noch nie eine Leiche gelegen hatte, würden sie sich selbst eins bauen müssen.“
Endlich konnte der Makler seinen Ladenhüter, das Anwesen des Dr. Bellwinkel, an den Mann - genauer gesagt: an Leon und Rosalyn Wilson aus Boston bringen, die in dem Domizil in Ocean View das Traumhaus für ihre verlängerten Flitterwochen gefunden haben und den perfekten Ort für den jungen Anwalt, um die Arbeit zu vergessen und sein Burnout-Syndrom auszukurieren.
Dass das Haus eine ungewöhnliche Geschichte haben muss, bemerkt Rosalyn recht bald. Sie fühlt sich dort vom Geist eines Mannes nicht nur beinahe schamlos beobachtet, sondern regelrecht begehrt. So sehr, dass Reaktionen ihres ausgehungerten weiblichen Körpers - Leon ist derzeit nicht in der Lage, seinen Mann zu stehen - nicht ausbleiben. Ihr Gatte beschwert sich derweil über den infernalischen Gestank, der angeblich aus dem ursprünglichen Schlafzimmer des Hauses dringt, und über die Krypta im Garten des Anwesens, die einen bizarren Doppelsarg beherbergt.
„Der Mann, der dieses Mausoleum für zwei Personen mit der von innen verschließbaren Tür erbauen hatte lassen, war nicht von der Angst umgetrieben worden, lebendig begraben zu werden. Er hatte kein Signal nach außen geben wollen. So bizarr es klingen mochte - sie war überzeugt, dass er in der Zeit zwischen der Beisetzung der Geliebten und seinem Selbstmord an ihrer Seite eine Gelegenheit haben wollte, jederzeit mit ihr zu sprechen!“
Barbara Büchner beginnt ihre Novelle reichlich romantisch, auch wenn sie es nicht versäumt, relativ früh anklingen zu lassen, dass es mit dem Anwesen, das so lange leer stand, etwas Merkwürdiges auf sich hat und so schon gleich eine bedrohliche Ebene in die Novelle einzieht, die dem Ganzen bei aller anfänglichen Unbeschwertheit eine düstere Färbung verleiht.
Relativ lange hält die Autorin die Balance aus Romanze und Geheimnis, sodass man sich in einem „Gaslicht“-Roman wähnt. Rosalyn ist bemüht, ihren Mann in seiner Genesung - gerade als ‚Mann‘ - zu unterstützen, doch ohne ihn zu drängen, was für sie einen anstrengenden Eiertanz bedeutet. Gleichzeitig ist da der Hausgeist, der ihr mehr als ein feuchtes Höschen beschert, doch ansonsten harmlos zu sein scheint. Das Mysterium um das Anwesen wird parallel immer wieder angenehm geschürt, sodass sich eine wohltuend geheimnisvolle Spannung durch die gesamte Geschichte zieht. Stimmungen aufzubauen und zu halten, hat Barbara Büchner in ihren Geschichten wirklich sehr gut im Griff.
Zum Ende hin nimmt die Novelle merklich Fahrt auf, als ein Vertreter der örtlichen historischen Gesellschaft dem Ehepaar gegenüber endlich das Geheimnis des Hauses aufdeckt. In dieser Auflösung wird das harmlose Romantical plötzlich zu einem tragischen und auch unappetitlichen Psycho-Thriller, was zum Schluss nochmal einen deutlichen Höhepunkt setzt.
Dies ist die erste Novelle der Reihe „SpookyYarn“, in der „in Novellen und Kurzromanen unheimliches Garn gesponnen" (Verlagswerbung) wird. In den Anmerkungen verrät Barbara Büchner, dass sie sich zur Hintergrundgeschichte des Hauses von dem wahren Fall der Maria Elena de Hoyos inspirieren ließ.
„Dr. Bellwinkels Puppenhaus“ ist eine sehr schöne, atmosphärisch-romantische Gespenstergeschichte, die im Finale auch den Freunden des handfesteren Grusels etwas zu bieten hat.