Alex Rankly: LadyBoy Lucy - Transsexuelle Abenteuer (Buch)

Alex Rankly
LadyBoy Lucy - Transsexuelle Abenteuer
Blue Panther Books, 2019, Taschenbuch, 204 Seiten, 12,90 EUR, ISBN 978-3-96477-849-9 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Über Alex Rankly erfährt man, dass er in England geboren und seine Jugend an verschiedenen Orten in der ganzen Welt verbracht hat, bis er sich in Irland niederließ, wo er studiert und arbeitet. Ob er in „LadyBoy Lucy“ eigene Erfahrungen einbindet, bleibt den Phantasien seiner Leser überlassen.


Der begüterte Unternehmer Gerry Fürnkranz hat viele Jahre nur für seine gut gehende Firma gelebt und sich nach einer kinderlosen Ehe von seiner Frau getrennt. Endlich möchte er alles nachholen, was er versäumt hat. Darum bucht er einen längeren Urlaub in einem exotischen Paradies, in Thailand. Seine Ziele, Pattaya und Phuket, sollen voller hübscher Frauen sein, die ihm hoffentlich das gewähren, was seine Gattin strikt ablehnte und er auch außerehelich nie suchte.

Schon am ersten Urlaubsort findet er schnell heraus, wie und wo er seine Lüste befriedigen kann. Nicht nur ist es möglich, über das Hotel Gespielinnen zu bestellen, auch einige Bars und sonstige Lokalitäten offerieren die Erfüllung vieler Wünsche. Obwohl Gerry jede Menge Spaß hat, empfindet er schon bald doch eine gewisse Leere, sodass er dem Rat anderer Sex-Touristen folgt und sich für den Aufenthalt an seinem zweiten Ziel eine Dauerfreundin sucht.

In einer Bar lernt er die bezaubernde Lucy kennen, mit der er sich sogleich einig ist. Sie bietet ihm an, es mit ihr erst zu probieren, bevor er sie für seinen restlichen Urlaub engagiert, was er erfreut annimmt. Als die Hüllen fallen, macht er eine schockierende Entdeckung.


Es gelingt Alex Rankly, seinen Protagonisten Gerry Fürnkranz zu Beginn des Buchs nicht als den eher unattraktiven, sexgierigen Geldsack hinzustellen, der das gängige Klischee bedient, indem er ihn glaubwürdig als gut situierten Mann beschreibt, dessen Ehe an der Kinderlosigkeit scheiterte und der infolgedessen seine ganze Energie in die Firma steckte. Nun ist diese ein Selbstläufer, er verfügt über ausreichende Geldmittel und beschließt, für einige Tage all das mit vielen hübschen Frauen zu genießen, worauf er über Jahre verzichtet hatte.

Obwohl er in Pattaya keine Prostituierte zwei Mal trifft, bleibt er Gentleman und somit sympathisch. Er achtet auf seine Sauberkeit, ist den Damen gegenüber großzügig, behandelt sie höflich und fordert nichts, was diese nicht zu geben bereit sind. Diese Vergnügungen - sein Fetisch ist Analverkehr - sind jedoch rein körperlicher Natur und sprechen ihn nicht psychisch an, worunter er auch leidet.

Das ändert sich, als er auf Phuket die faszinierende Lucy kennenlernt. Ihr erstes Miteinander endet jedoch beinahe in einem Desaster, als er mit dem konfrontiert wird, was sie zwischen den Beinen hat. Der Titel nimmt es vorweg: „LadyBoy Lucy“.

Wer sich ein wenig mit den Kulturen Asiens befasst hat, wird davon nicht überrascht, denn Thailand wartet mit einer hohen Zahl Transsexueller auf - und mit einer hohen Selbstmordrate, vor allem unter jenen, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen haben. Davon ist hier genausowenig die Rede wie von der traurigen Tatsache, dass sich bereits Kinder und junge Mädchen prostituieren, um ihren armen Familien das Überleben zu sichern.

Das würde nämlich dem Leser den Spaß verderben, sodass dieses Thema gar nicht beziehungsweise nur am Rande (Lucy bedankt sich einmalig in einem Nebensatz für Gerrys Zuwendung, die ihren Angehörigen sehr hilft) erwähnt wird. Stattdessen bewundert Gerry die ungezwungene Sexualität der Einheimischen und dass sie selbst ihren Spaß an dem Akt haben (oder vortäuschen).

Nun, die realistischen und problematischen Hintergründe spielen für den Roman keine Rolle. Es geht allein um den abwechslungsreichen (bezahlten) Sex vor einer wunderbaren Kulisse mit schönen und liebenswürdigen Menschen. Angesichts der überzeugenden Beschreibungen verschiedener Lokalitäten nimmt man dem Autor durchaus ab, dass er vor Ort gewesen ist. Und sogar die Schilderungen der sexuellen Aktivitäten klingen authentisch.

Bei diesen fällt eine durchgehende Steigerung auf: Gerry beginnt mit Vanilla-Sex, geht weiter zu Anal und dem ‚flotten Dreier‘. Durch Lucy entdeckt er seine ihm bislang unbekannte Seite als Sub und durch Lucys Lehrmeisterin Padma seine Vorliebe für gigantische Penisse, jedoch ohne Männer attraktiv zu finden. Für ihn sind Lucy und Padma Frauen mit einem kleinen bzw. riesigen Extra. Ferner fließt Natursekt in Strömen, Riesen-Dildos sorgen für Lust in allen Körperöffnungen usw. usf.

Obschon sich Gerry, zurück in der bayrischen Heimat, nach Lucy sehnt und sie ihm, trotz ihres Berufs, tiefere Gefühle entgegenbringt, bleibt das Ende offen. Zwar will er sie für einige Wochen zu sich holen, doch zuvor ist der Protagonist längst zu einem Sklaven seiner Lüste geworden, und das Buch endet anders, als erwartet. Dadurch wirkt Gerry am Schluss nicht mehr annähernd so sympathisch wie anfangs, denn er befriedigt sich bloß noch mit Porno-Videos im Internet, mit Sex-Toys und benutzt bei fortdauernder Freundlichkeit weitere Prostituierte, um seine Gier zu stillen. Das Zwischenmenschliche ist auf der Strecke geblieben, Schwanz hat über Herz gesiegt.

Gerry ist nicht mehr der Mann, der er zu Beginn des Buchs war. Obwohl er seinen Wandel selbst bemerkt und reflektiert, verliert er durch sein Handeln und seine eindeutige Sexsucht Sympathiepunkte. Ein zuckriges Happy-End mag wohl nie in Erwägung gezogen worden sein, der Autor erklärt auch warum, und doch ist man mit diesem Schluss nicht so recht zufrieden, gerade wenn man sich ein kleines bisschen heile Welt und mehr als seelenlosen Sex wünscht.

Alex Rankly punktet mit interessanten Beschreibungen von thailändischen Lokalitäten, beschönigt jedoch die sozialen Hintergründe zu sehr, um den Roman nicht zu beschweren, weil es in diesem zur Freude des unbedarften Publikums bloß um die Erotik gehen soll. Die sexuellen Praktiken schildert er abwechslungsreich und überzeugend; es gibt eine unverkennbare Steigerung immer weiter fort von Vanilla-Sex. Auch stilistisch ist der Roman gut lesbar. Obgleich mancher sich vielleicht mehr Realismus und Sozialkritik wünschen möchte, ist eine diesbezügliche Aufklärung weder ein Anliegen des Autors noch des Verlags, darum darf man für den reinen Unterhaltungswert, dem eigentlichen Ziel, die volle Punktzahl geben.

Wäre der Titel zehn, fünfzehn Jahre früher erschienen, hätte er zu einem Geheimtipp für erwachsene Manga- und Anime-Freunde, die das Genre Boys Love schätzen und auch Hentai nicht abgeneigt sind, werden können. Mittlerweile ist der große Hype vorbei, doch wer Bücher mit dieser Orientierung sucht, sollte auch einen Blick in „LadyBoy Lucy“ werfen.