Harleen 1 (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 13. Februar 2020 11:24
Stjepan Šejić
Harleen 1
(Harleen 1, 2019)
Übersetzung: Josef Rother
Panini, 2020, Hardcover, 68 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-7416-1741-6
Rezension von Irene Salzmann
Stjepan Šejić dürfte nahezu jedem (Superhelden-) Comic-Fan ein Begriff sein, denn er illustrierte mit seinem fotorealistischen Digital Artwork unter anderem mehrere Ausgaben des Top-Cow-Flaggschiffs „Witchblade“ nebst einiger Spin-offs, für Marvel „Secret Invasion: Inhumans“, für DC „Aquaman“ und noch vieles mehr auch für andere Verlage.
Seit seinen Anfängen hat sich Stjepan Šejićs Stil weiterentwickelt und verfeinert, was gewiss auch an den modernen Grafikprogrammen liegt. Immerhin sind die Proportionen seiner Figuren nun weitgehend fehlerfrei, und auch die sich früher sehr ähnelnden ‚Leidensmienen‘ sind variantenreicher und ausdrucksstärker geworden.
In dem Dreiteiler „Harleen“ interpretiert Stjepan Šejić die Geschichte von Harley Quinn alias Dr. Harleen Frances Quinzel neu.
Geschaffen wurde die Figur 1992 von Paul Dini und Bruce Timm für „Batman: The Animated Series“ und schaffte dann mit ihrem ersten Auftritt in „The Batman Adventures“ 12 1993 den Sprung in DCs „Batman“-Comics. Es folgten Auftritte in verschiedenen Mini-Serien wie „Gotham City Sirens“ und „Suicide Squad“ sowie einige kürzer oder länger laufende „Harley Quinn“-Reihen. Im vorliegenden Band greift der Autor und Zeichner auf den bekannten Hintergrund der Protagonistin zurück und modifiziert ihn vorsichtig.
Infolgedessen wird der Leser mit einer ehrgeizigen, aber beruflich eher vom Pech verfolgten jungen Frau, die sich schließlich als Psychologin zu etablieren versucht, konfrontiert. Ihr Durchbruch scheint endlich gekommen, als Lucius Fox offeriert, über die Wayne-Stiftung ihre Forschungen zu finanzieren, die von einem krankhaften Empathie-Verlust bei notorischen Schwerstkriminellen ausgehen, für welche ein Heilmittel entwickelt werden könnte.
Harleen erhält Zugang zum Arkham Asylum und anderen Einrichtungen, studiert die Aufzeichnungen von Kollegen und führt selbst Gespräche mit Personen, die sie für Kranke hält. Um einen von ihnen macht sie jedoch lange einen Bogen: den Joker. Grund dafür ist eine flüchtige Begegnung mit ihm, die sie beinahe das Leben gekostet hätte, doch verschonte sie der Joker aus einer Laune heraus. Seither taucht er ständig in Harleens Albträumen auf.
Es dauert eine ganze Weile, bis sie den Mut aufbringt, sich mit seiner Akte zu befassen und ihm gegenüberzutreten. Sie fürchtet ihn und ist gleichzeitig fasziniert von seinem Wesen, das so viel bizarrer und schwerer zu durchschauen ist als das anderer Arkham-Insassen. Noch bevor sie es auch nur ahnt, ist sie in seinem Netz gefangen.
Stjepan Šejić weicht insofern von der ursprünglichen Geschichte ab, dass er keine Liebe auf den ersten Blick zwischen Joker und Harley Quinn schildert. Ganz im Gegenteil ängstigt der Psychopath sie, doch will sie sich dieser Furcht stellen und ihre Forschungen vorantreiben.
Wer die Geschichte kennt, weiß, wie es weitergeht - aber die Protagonistin soll in der Trilogie nicht als liebeskranke, durchgeknallte weibliche Joker-Version Chaos und Mord willkommen heißen, sondern auf nachvollziehbare Weise über die Entwicklungsschiene Angst-Mitgefühl-Verständnis-vorgetäuschte Zuneigung zur Schurkin und später zur Anti-Heldin werden, die begriffen hat, dass sie ausgenutzt wurde und dem skrupellosen Joker bloß als Mittel zum Zweck diente.
Es liegt auf der Hand, dass Stjepan Šejić über Harleens Forschungen zu erklären versucht, wie eine normale Frau so tief fallen kann, dass sie zur Mörderin wird und angesichts ihrer Vergehen (lange) kein Bedauern empfindet. Doch diese Entwicklung wird der Stoff der beiden nächsten Bände sein.
Panini präsentiert die Story als großformatiges Hardcover-Album in der Reihe „DC Black Label“, sodass die Illustrationen, insbesondere die Seiten mit vielen kleinen Panels, besser zur Geltung kommen als in einem Standard-Heft. Für die 68 Seiten zahlt der Sammler knapp 15 eur. Ob er das als sauren Apfel empfindet oder nicht, wird er davon abhängig machen, wie sehr ihm die vor allem auf die Titelfigur bezogene Aufbereitung der Geschichte gefällt.