Sherlock Holmes 41: Mayerling (Hörspiel)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 12. Februar 2020 19:17

Marc Gruppe & Sir Arthur Conan Doyle
Sherlock Holmes 41
Mayerling
Sprecher: Joachim Tennstedt, Detlev Bierstedt u.a.
Titelbild: Ertugrul Edirne
Titania Medien, 2020, 2 CDs, ca. 157 Minuten, ca. 15,99 EUR, ISBN 978-3-7857-8141-8
Rezension von Christel Scheja
„Mayerling“ ragt nicht nur seiner Länge wegen aus der Hörspiel-Reihe „Sherlock Holmes“ von Titania Medien sondern auch durch die Tatsache heraus, dass diese Episode nicht auf einer Vorlage Doyles oder den Werken anderer Schriftsteller basiert, sondern allein von Marc Gruppe verfasst wurde. Dieser hat ausführlich recherchiert, um einen der tragischsten Momente gegen Ende der Herrschaft der Habsburger in Österreich einzufangen. Wer sich nur ein wenig in der Geschichte auskennt weiß durch den Titel, was gemeint ist.
Alles beginnt relativ harmlos, denn Sherlock Holmes lädt seinen Freund Doktor Watson, der wieder in die gemeinsame Wohnung eingezogen ist, dazu ein, die ersten Wochen des neuen Jahres in Wien zu verbringen, denn der Meisterdetektiv will sich die Aufführung des „Rings der Nibelungen“ nicht entgehen lassen.
Zunächst scheint auch alles gut zu gehen. Die beiden britischen Gentlemen genießen die Spezialitäten Wiens und die Oper. Doch schon bald schleichen sich Missklänge ein, denn die Baronin Helene Vetsera verzweifelt langsam an ihrer jüngsten Tochter Mary. Denn diese entzieht sich in den letzten Wochen immer mehr dem Einfluss der Mutter und findet tausend Ausreden, um nicht mit dieser unterwegs sein zu müssen.
Eigentlich ist das nichts Ungewöhnliches, aber dann belauscht Sherlock Holmes ein seltsames Gespräch zwischen dem unmündigen Mädchen und einer viel älteren Frau, die mit dem Kaiserhaus verwandt zu sein scheint und beobachtet die Sache genauer. Doch die Katastrophe, die sich dann ereignet, sieht nicht einmal er voraus - denn auf dem Jagdschlösschen Mayerling stirbt überraschend Kronprinz Rudolf von Österreich, angeblich vergiftet durch Mary Vetsera…
Die Wahrheit ist, wie wir alle inzwischen wissen und vermutlich auch in unzähligen Dokumentationen und Fernsehfilmen gesehen haben, natürlich eine andere. Gerade weil es auch so schön in die Zeit passt und vermutlich bei den Recherchen einiges an Merkwürdigkeiten hergegeben hat, an denen sich ein Meisterdetektiv wie Sherlock Holmes festbeißen kann, eignete sich diese Tragödie wunderbar dazu den Briten einzubinden, auch wenn er natürlich nichts gegen eine Staatsmacht tun kann.
Aber er hat immerhin Verbündete in den höchsten Kreisen, die an der Wahrheit interessiert sind und auch bereit sind, wenigstens im Kleinen Gerechtigkeit walten zu lassen. So finden sich Holmes und sein Freund schon bald in einem Netz aus Intrigen wieder, aus dem sie sich kaum befreien können. Sie müssen sehr genau abwägen, wem sie eigentlich helfen, denn jede der betroffenen Parteien hat ihre Geheimnisse und Gründe, andere Gruppen erpressen zu wollen.
Geschickt vermischt man historische Tatsachen und Entwicklungen, auch Dinge, die man den wichtigen historischen Personen bis heute nachsagt mit eigenen Ideen und spinnt so ein dichtes, außerordentlich spannendes Hörspiel.
Der eher amüsante Auftakt in London dient dazu, den Zuhörer in Stimmung zu versetzen und mit den Figuren vertraut zu machen. Dabei folgt er der Linie, die schon in den Adaptionen der Romane von McNeile zu erkennen war. Sherlock Holmes spottet zwar immer noch gerne, ist aber insgesamt menschenfreundlicher geworden und zeigt auch schon einmal Herz, auch wenn er es nicht zugeben will.
Wie immer sind die Sprecher in Spiel-Laune, lassen die Figuren zum Leben erwachen und schlagen den Zuhörer mit ihren Stimmen in den Bann. Man fühlt sich in die Zeit zurückversetzt, teilt die Sorgen der Mutter genauso wie den Zynismus der Adligen, die in dem Schlangennest Hofburg versuchen zu überleben und nicht ganz abgeschlagen zu werden. Zugleich klingen revolutionäre Ideen an, während nach außen hin noch alles gemütlich und konservativ ist.
Heraus kommt eine spannende Geschichte, in der keine Szene überflüssig ist und die man gerne an einem Stück bis zum Ende hören möchte, denn immer wieder sorgen neue Aspekte für Spannung und machen das Szenario noch lebendiger. Dabei spielt es irgendwann auch keine Rolle mehr, wie viel historisch verbürgt und wie viel erfunden ist.
Klangteppich und Musik tun ihr Übriges, um die Atmosphäre zu vertiefen.
Damit ist „Mayerling“ eines der herausragenden Hörspiele, wenn nicht das herausragendste, der Reihe „Sherlock Holmes“ von Titania Medien. Die Adaption historischer Ereignisse aus der Sicht der Helden von Sir Arthur Conan Doyle ist von Anfang bis Ende ein Hörgenuss, bei dem alles stimmt: die Spannung in der Geschichte, die Spielfreude der Sprecher und der „Rest“ drumherum. Bitte Mehr davon, wenn es sich anbietet - das Experiment kann gerne wiederholt werden.