Eric C. Higgs: The Happy Man (Buch)

Eric C. Higgs
The Happy Man
(The Happy Man, 1985)
Titelbild: Henry Petrides
Übersetzung: Christian Jentzsch
Festa, 2018, Hardcover, 274 Seiten, 34,99 EUR

Rezension von Elmar Huber

„Vielleicht lag es an dem Gras, aber irgendetwas daran ließ mich lächeln. Ruskin lächelte ebenfalls und sah mich an, als wüsste er, was mir gerade durch den Kopf ging. Aus seinem Lächeln wurde ein Grinsen, und dann fing er an zu lachen. Es war ansteckend. Wir fielen alle mit ein, und obwohl es einen leisen Unterton nervöser Verlegenheit gab, war es doch durchaus herzlich.“

Das Ehepaar Shelly und Charles Ripley führt ein vergleichsweise sorgloses Leben in Mesa Vista, einer Neubausiedlung nahe Coronado/Kalifornien. Die Stimmung verändert sich, als im Haus nebenan Sybil und Ruskin Marsh mit ihrem Sohn einziehen; aus nachbarschaftlicher Freundlichkeit erwächst so etwas wie Freundschaft. Ohne dass es ihm recht bewusst ist, gerät Charles in den Bann des unbeschwerten und charismatischen Ruskin, der bald eine dekadente und erbarmungslose Seite offenbart. Eine Seite, die nach und nach auch auf Charles abfärbt.

„Das Buch nahm Fahrt auf. Ich las eine lange und liebevolle Beschreibung einer Orgie, deren Hauptvergnügen die Folterung eines jungfräulichen Mädchens war. Und nachdem sie schließlich das Zeitliche gesegnet hatte, verging sich die ganze Gruppe an ihrer Leiche. Ich schloss das Buch - das Abendessen war ein harter, unverdauter Klumpen in meinem Bauch.“


Das Buch ist zwar 1985 entstanden, doch meint man den Freigeist und die Mittelschicht-Sorglosigkeit der 1970er zwischen den Zeilen zu spüren. Nachmittägliche Cocktail-Treffen, Schlüsselpartys, ein kleiner Seitensprung unter Nachbarn und überhaupt der recht sorglose Umgang mit Sexualität oder dem Ehe-Gelöbnis strahlen einen verrucht-lässigen Reiz aus. Doch der Grat zwischen harmloser Zerstreuung und tödlichem Ernst ist schmal. Den oberflächlich charmanten Ruskin Marsh sieht man vor sich als charismatisches Alpha-Tier, das sich weder von gesellschaftlichen Konventionen noch von moralischen Bedenken auf dem Weg der persönlichen Verwirklichung aufhalten lässt. Durch Charles‘ Augen gesehen, kann man die Faszination, die der neue Nachbar ausstrahlt, durchaus nachvollziehen. Würde man(n) nicht gern so sein, wie Ruskin? Mit einer Frau wie Sybil? Sich seine eigenen Regeln machen? Sich einfach nehmen, was man will?

In seiner Ausführung entspricht der Roman nicht im Mindesten der ‚billigen‘ Unterhaltung, die man unter einem Pulp-Banner erwartet in der das Buch bei Festa erschien. Auch das Cover-Motiv zieht seine Berechtigung lediglich aus einer kurzen Andeutung im Buch. Statt mit der groben Kelle Unappetitlichkeiten zu servieren, erweist sich „The Happy Man“ als überlegt gestaltetes und clever erzähltes Psychogramm, das durch seinen sachlichen Tonfall umso stärker wirkt.

Higgs bleibt strikt bei Charles in seiner Rolle als Erzähler. Was anderweitig passiert wird nicht direkt geschildert, sodass Vieles unterhalb dieser Oberfläche abläuft. Erst wenn man die Andeutungen und Randnotizen in einen gemeinsamen Kontext mit dem ‚Sichtbaren‘ setzt, ergibt sich ein Bild, das einem nach und nach die Nackenhaare zu Berge stehen lässt. Dazu passt der kompromisslose Schluss (beziehungsweise der Anfang), der das Ganze mit einer unterschwelligen Wucht abschließt.

Das Buch selbst glänzt durch einwandfreie, stabile Verarbeitung. Das Format ist sehr handlich (etwas kleiner als die sonstigen Festa-Hardcover).

„The Happy Man“ ist ein ungewöhnlicher, ruhig erzählter Thriller, der seine Wucht unter der Oberfläche entwickelt.