Carsten Steenbergen: Im Reich des toten Königs (Buch)

Carsten Steenbergen
Im Reich des toten Königs
Titelbild: Holger Much
Edition Roter Drache, 2019, Paperback, 450 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-946425-79-3

Rezension von Carsten Kuhr

Staubner ist ein Filou, aber kein Verbrecher. Sicherlich, immer wieder einmal muss auch er lügen und ein klein wenig stehen um über die Runden zu kommen, doch jemanden weh zu tun, ihn gar umzubringen, das kommt für ihn nicht in Frage. Eines Tages, er ist einmal wieder vor dem Söldnerfürsten Fausto, den er über den Tisch gezogen hat, auf der Flucht, sucht er Unterschlupf in einer Armenküche. Als ihn seine Häscher auch hier erkennen, flieht er und wird in buchstäblich letzter Sekunde von einem Unbekannten gerettet.

Dass dieser ihn verwechselt wird ihm erst deutlich, als er mit der Karawane seines Retters in die unwirtlichen Höhen eines kargen Gebirges kommt. Hier, abseits der bekannten Reiche, verborgen vor den Augen der Adeligen und der Söldner leben Menschen; zumeist Kleriker, die von einem schlafenden König angeführt werden. In der schwebenden Stadt, von ihren Bewohnern Stadt des ewigen Friedens genannt, inmitten immerwährender Wolken regieren die Kasten. Die Not, die Unfreiheit und die Unterdrückung führen dazu, dass sich aufrührerische Kräfte regen. Kräfte, die es auszuschalten gilt. Also engagiert man einen Auftragsmörder - nur, dass statt des versierten und mitleidlosen Killers eben unser Staubner in die Stadt entführt wird.

Sein erster Auftrag von einer ganzen Liste von Aufrührern, um die er sich kümmern soll, wird dann auch erfolgreich abgearbeitet - nur nicht von Staubner, sondern von einer mysteriösen, geflügelten Bestie, die nicht nur den Rebellen sondern gleich dessen halbes Haus in den Abgrund reißt. 

„Möge der Antlitz Sulas steht's deinen Weg beleuchten“, so der Segen der Priester, den unser Antiheld gut gebrauchen könnten. Zusammen mit der Tochter seines vermeintlichen Opfers und einem jungen Priester, dessen Glaube schon vor den Offenbarungen nicht der festeste einer war, versucht Staubner dem drohenden Unheil zu entgehen - nicht ahnend, dass Intrigen, Machtdemonstrationen und Verrat auf sie lauern.


Carsten Steenbergens neuestes Buch überrascht den Leser zunächst durch sein Setting. Als Ort der Handlung dient hauptsächlich ein Plateau in den Wolken. Wer nun aber annimmt, es mit einer fliegenden Stadt zu tun zu haben, der täuscht sich. Hoch auf den höchsten Gipfeln des Gebirges geklammert leben sie: Menschen, Kleriker und die Adler der Kriegerkaste, Wasserernter und Bauern - und fristen ihr, zumindest was die unteren Schichten anbelangt, karges Schicksal. Die Vorräte nehmen immer weiter ab, die unwissenden Menschen, die nicht einmal ahnen, dass in den Ländern der Verheerung Nahrungsmittel wachsen und Menschen gedeihen, sind verzweifelt. Zumal der Beleuchtete, das Sprachrohr des seit Jahrzehnten aufgebahrten toten Königs, sich mehr für die Reize der Novizinnen als für die Not seiner Untertanen interessiert.

Neben der faszinierenden Bühne prägen die Machtspiele und Intrigen den Roman. Unser Triumvirat an Erzählern, zu denen sich weitere Figuren gesellen aus deren Sicht die Vorgänge geschildert werden, offenbart dem Leser einen umfassenden Einblick in das zunächst undurchsichtig scheinende Machtgebilde. Die jeweils recht kurz gehaltenen Kapitel tragen dazu bei, dass nie Längen aufkommen oder man den Überblick verliert.

Allerdings muss man sich an die häufigen Perspektivwechsel auch zuerst ein wenig gewöhnen. Nach und nach entfaltet sich dann aber das faszinierende Bild einer statischen Gesellschaft, in der die Unterschiede für sozialen Sprengstoff bürgen und in der unser von außen kommender vermeintlicher Killer so seine Probleme hat, sich zurechtzufinden.

Nach einem etwas zögerlichen Beginn, steigert sich der Roman dann zu einem faszinierenden Bild einer klerikal geführten Gesellschaft und unterhält spannend und flüssig.