Achim Hildebrand & Michael Schmidt (Hrsg.): Zwielicht 13 (Buch)

Achim Hildebrand & Michael Schmidt (Hrsg.)
Zwielicht 13
Titelbild: Björn Ian Craig
2019, Taschenbuch, 316 Seiten, 14,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Pünktlich, wie die Maurer, so heißt es so schön, wenn etwas oder jemand rechtzeitig erscheint. Die beiden Herausgeber Michael Schmidt und Achim Hildebrand sind pünktliche Handwerker im Sinne des Sprichworts. Seit Jahren erscheinen die „Zwielicht“-Bände regelmäßig und verwöhnen den Leser mit Nachschub an hochwertigem Lese-Material der unheimlichen Art. Das Periodikum bezeichnet sich selbst als Horror-Magazin - einen Titel, das sich „Zwielicht“ inzwischen mehr als verdient hat.

Nicht nur, dass die Bände in schöner Regelmäßigkeit erscheinen, der Inhalt dem Fan des Grusel, Horrors und des Unheimlichen bei der Lektüre immer wieder einen kalten Schauer den Rücken herunterlaufen lässt, die Artikel bestechen durch Sachverstand und lesen sich interessant.

Der Hauptteil, von den dieses Mal enthaltenen drei Sekundärbeiträgen abgesehen, sind natürlich, wie kann es anders sein, Geschichten. Hier setzen die Herausgeber ihre Pflöcke ganz bewusst breit, hat eine surreale Erzählung, haben klassische Geister ebenso ihre Plätze, wie der moderne Horror. Gemeinsam ist den Geschichten, dass sie nicht nur gut geschrieben sind, sondern immer auch etwas Besonderes für den Leser bereithalten.

Einen wahrlich bunten, abwechslungsreichen Strauß haben die Herausgeber diesmal für uns gebunden, einen Strauß, der uns die große Bandbreite der unheimlichen Literatur zeigt, der beweist, wie vielfältig man sich gruseln und fürchten kann. Man sollte sich ein wenig Zeit für die Beiträge nehmen - nicht alles schnell runterlesen, dann weiter zum nächsten Buch, sondern jede Preziose genießen.


Zum Inhalt:

Albert Richard Wetjen: „Schiff des Schweigens“ (1932):
Die Saga vom verlorenen Schiff, besser gesagt vom Schiff, das seine Besatzung verloren hat, kennt ein jeder Seemann. Als man ein herrenlos auf dem Meer treibendes Schiff entdeckt, ist die Freude über die Prise zunächst groß. Doch das einzige an Bord verbliebene Mitglied der Crew, ein alter Papagei, weiß so Einiges zu zitieren - furchterregende Zitate von etwas, das von hinten kommt und nicht bekämpft werden kann.
Für mich die beeindruckendste Erzählung, gerade weil der Horror unbenannt bleibt, weil der Autor - in seiner wohl einzigen unheimlichen Erzählung -, mit Atmosphäre und Andeutungen arbeitet.

Carl Denning: „Elsa“:
Die geliebte Frau als Hexe zu sehen, wird wohl einen jeden verrückt werden lassen - dabei begann alles ganz einfach: eine betörende Frau, am Morgen danach ein paar tote Ratten um die Wohnung herum aufgefunden - die Katze des Nachbarn war wohl geschäftig unterwegs. Doch dann muss der Mann erkennen, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als je vermutet - und Hexen ganz schön nachtragende Biester sind…
 
Lea Reiff: „Der Mönch und die Pest“:
Das Mittelalter war eine Zeit, in der der Religionskrieg in Deutschland tobte, die Inquisition die Hexen verfolgte und die Pest ganze Landstriche entvölkerte. Da kommt ein Spruch, mit dem man einen wahrhaftigen Engel beschwören kann, gerade recht - doch merke, auch gefallene Wesen waren einmal Engel.

Nina Teller: „Das Monsterritual“:
„Das Monsterritual“ stellt uns einen Mann, einen Vater vor, dessen Frau sich hat scheiden lassen. Einmal im Monat darf sein Töchterlein am Wochenende zu ihm kommen - das alte Einschlafritual verbindet das Daddy Daughter Team. Doch dann findet Daddy unter dem Bett wirklich ein Monster, und es sieht aus wie…

Tomas Schauermann: „Du musst“
Diese Story präsentiert uns ein Familien-Drama aus der Innensicht: einen älteren Bruder, der eigentlich auf seinen jüngeren aufpassen sollte, und dann Rache für all die Jahre nimmt, in denen er für dessen Schicksal verantwortlich gemacht wurde.

Werner Hermann: „Der Pentagondodekaeder von Gramatneusiedl“:
Dodekaeder aus der römischen Hochzeit stellen die Wissenschaftler vor Rätsel. Bis eine Perchtengruppe unter einem Keller einen Sarkophag findet, ihn öffnet und ein minotaurähnliches Wesen freisetzt, das eine wahnwitzige Geschichte zu erzählen weiß-

Waldemar Klauser: „Dark Waters“:
Ein Paar auf einer einsamen Südsee-Insel; eigentlich sind alle Voraussetzungen für Romantik pur gegeben, doch dann geht ein nächtlicher Schwimmausflug so richtig schief.

Johanna Landes: „Flüsternde Schatten“-
Eigentlich wollten die drei Jugendlichen in der verlassenen Fabrik nur sprayen - doch sie werden schon von jemanden, besser von Etwas erwartet.

Ansgar Sadeghi: „Das perfekte Riff“:
Eine junge Hobbymusikerin sucht das perfekte Riff auf der Gitarre - und findet es; allerdings erst im Tod.

Gard Spirlin: „Dann singe ich ein Lied für dich“:
Ein junger Mann will eigentlich nur kurz das neueste iPhone erwerben, um beim Date auch ja damit angeben zu können. Doch dann gerät er ins Visier einer Hexe - und sein Leben ändert sich radikal.

Jana Grüger: „Mann beißt Hund“:
Es ist schon eine Krux, wenn ein jeder, Mensch wie Tier, mit einem Transponder ausgestattet wird. Findige Hacker können sich in den jeweiligen Körper versetzen, doch wehe, wenn dann etwas schiefgeht.

Jens-Philipp Gründler. „Luzide Träume“:
Ein körperlich verunstalteter junger Mann lebt ein Leben, das geprägt ist von Ablehnung und Einsamkeit. Nur in seinen Träumen findet er Erfüllung.

Stefan E. Pfister: „Der Fettwächter“:
Gerade, wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, wird der Dienst für den Chef nicht einfacher. Das muss auch ein Anhänger des schönen, aber bitte voluminösen Geschlechts erkennen, als er einmal mehr einen Auftrag zur Schaffung einer fetten, bösen Seele erhält.

David Wright O'Brien: „Das Alp-Traumhaus“ (1943):
Ein Exzentriker lässt sein Traumhaus bauen - ein Haus, wie es die Welt noch nicht gesehen hat mit abstrusen Winkeln, einem Glockenturm und - unbeabsichtigt - einem Dimensionstor, durch das man…

Catharina Bombardi: „Rote Blumen im Schnee“:
Ein Baby wird geboren - das Erste nach dem großen Licht, das nicht missgestaltet zur Welt kommt. Doch was ist mit dem Gesetz, dass alle Neugeborenen getötet werden müssen - zum Wohle der Gemeinschaft, versteht sich?

Thomas Kodnar: „Die Hand“:
Was man in einem alten Kanal nicht so alles findet - ein Junge stößt auf eine abgetrennte Hand - echt, versteht sich - und nimmt diese mit nach Hause. Mit drastischen Folgen.

Ralf Kor: „Das Sterben der Unartigen“:
Die Welt wurde geläutert. Seitdem Er umgeht, ein riesiges Wesen, das sich die Sünder holt, ungeachtet ihres Standes, Geschlechts oder Nationalität; sinkt die Verbrechensrate gen Null. Für den Polizisten Markus gibt es nichts mehr zu tun - außer, das Wesen, das seinen Vater geholt hat zu jagen.

Karin Reddemann: „Nette Kerle“:
In der kleinen Kneipe am Eck, da kann man nette Leute kennenlernen - darunter sind auch gar merkwürdige Spießgesellen, die weit mehr und weit Grausigeres zu verbergen haben, als zunächst ersichtlich.

Algernon Blackwood: „Egyptian Sorcery“ (1921):
Wie es inzwischen schöne Übung in den „Zwielicht“-Bänden ist, erwartet auch dieses Mal wieder eine deutsche Erstveröffentlichung Algernon Blackwoods die Leser. An dieser Stelle darf der Hinweis auf den „Zwielicht“-Sonderband 1, „Aileen und weitere unheimliche Geschichten“, nicht fehlen, in der der Übersetzer und Herausgeber Achim Hildebrand diese Geschichten gesammelt und um eine Erstveröffentlichung ergänzt vorgelegt hat.
In der in diesem Band enthaltenen Erzählung geht es um einen Engländer, der sein Vermögen auf Anraten eines in Ägypten ansässigen Freundes am Nil investiert hat. Als es zum Börsen-Crash kommt, findet sich der depressive Investor im Traum plötzlich am Krankenbett der Schwester seine Freundes in Kairo wieder.

Drei Artikel schließen die Ausgabe dann ab.
Karin Reddemann beschäftigt sich in „Völlig unmöglich, damit aufzuhören, Leute zu vergiften“ mit dem Drang mancher Täter, ihre Mitmenschen mittels Pülverchen um die Ecke zu bringen.

Achim Hildebrand beschäftigt sich in „Legenden des Kannibalismus - John Johnston - Der Leberfresser“ mit einem Mann, dem angedichtet wird, dass er aus Rache für den Mord an seiner Frau die schuldigen Indianer nicht nur gejagt, sondern auch deren Leber verspeist haben soll.

Ralf Steinberg schließlich setzt seine kleine Reihe mit Lese-Empfehlungen fast vergessener Bücher unter dem Titel „Jenseits sonnendurchfluteter Sommertage“ fort.