Christian von Aster: Sieben Arten Dunkelheit (Buch)

Christian von Aster
Sieben Arten Dunkelheit
Titelbild: Timo Kümmel
Thienemann, 2019, Hardcover, 330 Seiten, 17,00 EUR, ISBN 978-3-522-20261-9 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Die Angst vor dem Dunkel, sie gehört zum Menschsein dazu. Seit den Urzeiten fürchtet sich der Primat und seine Nachfahren vor der Finsternis, vermeint, in dieser unheimliche, gefährliche Wesen zu erblicken und von diesen bedroht zu werden.

Doch die Drohung, sie kommt - wie zumeist - aus einer ganz anderen Richtung. Bedrohlich sind Menschen, die fehlen, die ihr eigenes Wohl über das der Allgemeinheit stellen, sich für etwas Besseres halten und skrupellos ihre Pläne vorantreiben.

Vorhang auf für vier junge Menschen. Zwei davon, ein Geschwisterpaar, leben auf einer idyllischen, unter Naturschutz stehenden kleinen Insel im bengalischen Ozean. Hier, fernab der hektischen, nur auf Profit und Macht ausgerichteten modernen Welt ist die Umwelt noch intakt, lebt der Stamm noch friedlich und harmonisch miteinander. Einen der ihren haben sie ausgesandt, das Leben in der modernen Zivilisation kennenzulernen und es zu schützen.

Krigk und R´hee werden von ihrem Lehrer zu Nachtzähmern ausgebildet - Menschen, die mit dem Dunkel und seinen Wesen kommunizieren, die es beziehungsweise sie besänftigen können. Eines Tages entsendet ihr Meister sie weit weg - sie sollen bei einem der anderen beiden Meister ihre Ausbildung vervollständigen und die Bedrohung der Welt durch die Finsternis bekämpfen.

Der 15jährige David lebt in einer deutschen Kleinstadt, die sich nur dadurch auszeichnet, dass sich in dieser der Hauptsitz der Firma Erebos, deren innovative Glühbirnen die Welt beleuchten, befindet. Dass er Angst vor dem Dunkel hat, macht ihn zur Zielscheibe seiner Klassenkameraden. Als er eine neue Mitschülerin, die blind ist, kennenlernt, ändert sich sein Leben. Von dieser und ihrem Großvater lernt er nicht nur die Finsternis zu verstehen und verliert so seine Angst, er erkundet auch Zwielichtwichtel, Schattenbolgs und andere Kreaturen der Finsternis.

Dass der Dämmerflechter, einer der drei Nachtzähmer, ausgerechnet in ihrer Stadt seinen finsteren Plan, die Welt in ewiger Finsternis versinken zu lassen, umzusetzen beginnt, führt dazu, dass David, seine blinde Freundin und die zwei Inselkinder sich dem Unmöglichen stellen müssen - sie allein müssen die drohende ewige Finsternis aufhalten und dem renegaten Nachtzähmer aufhalten, sonst wird die Welt, wie wir alle sie kennen und lieben, untergehen…


Christian von Aster gehört zu den interessantesten und schillerndsten Figuren der Phantastischen Szene. Seine Lesungen gleichen Happenings, die Zuhörer und Zuschauer bekommen etwas ganz Besonderes geboten, seine Romane und Kurzgeschichten sind immer etwas anders als das, was man sonst so kredenzt bekommt.

Dies vorausgeschickt, wollen wir uns nun seine neueste Veröffentlichung anschauen. Ein Jugendbuch ist es dieses Mal geworden - derzeit erscheinen seinen Erwachsenen-Romane bei Klett-Cotta -, und ein sehr renommierter Verlag hat sich des Manuskripts angenommen.

Und wahrlich, wie nicht anders zu erwarten, präsentiert uns von Aster einmal mehr etwas Ungewöhnliches. Es geht um die Bedrohung der Welt durch Menschen, die habgierig sind, die den Hals nicht voll genug bekommen können, die ohne Rücksicht auf Verluste ihre Pläne vorantreiben. Soweit, so bekannt und gewohnt. Aber die Bedrohung kommt nicht mittels irgendwelcher Viren, seien es Krankheitserreger oder Schadprogramme, auch Armeen oder Finanzmanipulationen sucht man vergebens. Die Gefahr droht aus dem Dunklen!

Das ist innovativ, das ist etwas, das ich zumindest so noch nicht gelesen habe. Dazu kommt, dass von Aster seine vordergründige Handlung mit so Einigem hinterfüttert. So geht es um Mobbing, um die Bewältigung von Angst, um Gruppenzwänge und Kinder und Jugendliche, die hilflos miterleben müssen, wie ihre Eltern sich auseinanderleben. Und immer wieder stellt der Autor den Mut seiner Protagonisten ins Zentrum des Geschehens. Obwohl diese Angst haben vor den Gefahren, die sie erwarten, raffen sie sich auf, stellen sich ihren Ängsten und besiegen diese.

Das ist nicht nur unauffällig auf die Zielgruppe zugeschnitten, sondern auch in einen Plot verpackt, der voller Wendungen, absonderlichen Wesen und finsteren Gegnern daherkommt. Natürlich sind die Gegner unserer jungen Helden dabei eindeutig besetzt, so dass recht schnell klar ist, gegen wen sich unsere Protagonisten wehren müssen.

Insgesamt also ein rundum gelungener Roman, der sich mit einem für Jugendliche wie Erwachsene sehr wichtigem Thema, nämlich der Bewältigung von Angst auseinandersetzt, dabei rasant und stilistisch ansprechend unterhält und den Leser im Finale befriedigt zurücklässt.