Enrique Cuentame: VollLust (Buch)

Enrique Cuentame
VollLust
Blue Panther Books, 2019, Taschenbuch, 206 Seiten, 9,90 EUR, ISBN 978-3-86277-4271-2 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Laut Internet schreibt ein südamerikanischer Geschäftsmann auf seinen Reisen für seine Frau erotische Kurzgeschichten, die vom realen Leben inspiriert wurden. Unter dem Pseudonym Enrique Cuentame veröffentlichte er 22 davon in „VollLust“, und eine weitere ist über den beigefügten Code kostenlos im Internet abrufbar.


Beispielsweise zeigt Wonder Woman kompromisslos den sabbernden Kneipenbesuchern, was sie von deren Anmache hält und schleppt den überraschten Erzähler ab, um es sich ‚besorgen‘ zu lassen. Ein Paar erfreut einander per Video-Chat. Ein Café-Gast erhält intime Einblicke von einer Besucherin am Nachbartisch und erliegt seinen Phantasien. Eine attraktive Frau inszeniert sich unverhohlen am Strand für den Beobachter auf dem benachbarten Laken. Wenn man im Keller eine schwere Kiste ins Regal wuchten will, dort aber ein Hindernis liegt, kann man in eine Situation geraten, in der man plötzlich wehrlos den Händen eines anderen ausgeliefert ist.


Allen Titeln ist gemein, dass sie keine ‚Drumherum-Geschichte‘ haben, es kein Vorher oder Nachher gibt, sondern sich das Geschehen auf einen kurzen und natürlich erotischen Moment konzentriert. Infolgedessen gibt es auch keinen nennenswerten Plot, in den das Geschehen eingebettet ist. Stattdessen kommen die Paare - Fremde, Bekannte, Menschen, die bereits eine Beziehung miteinander haben - sofort zur Sache und leben ihre Leidenschaft einmalig, mit der Option auf ein Wiedersehen oder als feste Partner aus, die etwas Abwechslung oder im Falle einer beruflichen Trennung eine gewisse Zweisamkeit wünschen. Die Protagonisten sind in der Regel in ihren besten Jahren, gut situiert und attraktiv.

Die Initiative geht mal vom überwiegend dominanten Mann, mal von der nicht immer devoten Frau aus; gelegentlich spricht der Autor die Leserin mit Du an und beansprucht sie als Partnerin, als Gespielin in jenen Storys. Es geschieht an den typischen Plätzen, die schon das Szenario für zahlreiche Romanzen in Romanen und Filmen stellten: im Grünen abseits eines Radwegs, in der Sauna, im Garten, im Bus, im Büro, im Auto, am Pool usw. Manchmal wird lediglich beobachtet und mit der Fantasie gespielt, dann wieder wird sich der Lust an einem abgeschlossenen Ort oder in der Öffentlichkeit hingegeben. Geboten werden hauptsächlich Voyeurismus, Selbstbefriedigung, Spanking, softe BDSM-Spiele, Oral- und Anal-Sex.

Der Autor beschreibt ausführlich die körperlichen Vorzüge, Reaktionen und Phantasien der Beteiligten während der Anmach-Phase und des Aktes; er schildert, wie beide (seltener eine Person) zunächst miteinander spielen und dann sehr schnell gegenseitig ihre Wünsche erfüllen - auf 3 bis 17 Seiten.

Die Sprache ist deftig und im Bereich des Sexuellen auf die immer gleichen derben Worte und Ausdrücke (dirty talking) begrenzt, die sich regelmäßig wiederholen, was eine gewisse Ähnlichkeit der Inhalte und Abläufe trotz unterschiedlicher Hintergrundbilder unterstreicht und nicht immer geeignet scheint zu erotisieren: „Ein gurgelnder Brei aus Stöhnen und Keuchen quoll durch ihre Kehle.“ (S. 164).

Das Titelbild ist optisch sehr ansprechend, insbesondere durch das Muster der Netzstrumpfhose, welche die Rundungen der jungen Frau geschickt unterstreichen.

Es sind kleine Geschichten für ‚Zwischendurch‘, die eher an Leserinnen als an Leser adressiert sind, aber dennoch Männer-Phantasien bedienen. Durch die inhaltlichen und sprachlichen Wiederholungen stellt sich nach einigen Erzählungen eine gewisse Ermüdung beim Lesen ein, so dass man Interessenten empfehlen möchte, die Storys nicht auf einen Rutsch durchzuziehen, sondern sie sich Stück für Stück mit kleinen Pausen vorzunehmen.