Jenny Wood & Grit Richter (Hrsg.): Æronautica - Logbuch der Lüfte (Buch)

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Kategorie: Rezensionen

Veröffentlicht: Montag, 17. Juni 2019 21:32

Steampunk in Deutschland - das ist etwas, das nicht geht. Irgendetwas an der teutonischen Mentalität lässt die Leser vor einer phantastischen Vergangenheit um die Jahrhundertwende, zeitlich zwischen 1880 und 1920 angesiedelt, zurückschrecken. Dabei ist es nicht unbedingt der Æther, die mit Dampf betriebenen mechanischen Wunderwerke, es scheint wirklich die Zeit zu sein, die die Leser eher vom Kauf derartiger Bücher abhält.

Dabei gibt es bei uns eine kleine, aber recht agile und sehr engagierte Szene, die ihr Faible für den Steampunk, gleich ob die Verfasser ihre Handlung nun im viktorianischen London oder in heimischen Gefilden ansiedeln, goutieren. Auf Messen zelebrieren sie ihr Hobby, tragen prächtig anzuschauende Kostüme und vertreiben ihre Publikationen. Dass die großen Verlagem sich vom Steampunk schon lange verabschiedet haben, dass selbst ein filmischer Blockbuster wie „Mortal Engines“ kaum dazu beitragen konnte, die Roman-Umsetzungen des Stoffes an den Leser zu bringen, ist eine beklagenswerte Tatsache. Woran die Aversion gegenüber dem Steampunk liegt bleibt rätselhaft, unterhalten die belletristischen Umsetzungen doch zumeist spannend und kurzweilig, kombinieren Abenteuer-Szenarien mit phantastischen Wesen, gleich ob mechanischer oder biologischer Art.

In die Lücke, die die durch Abwesenheit glänzenden großer Verlage gerissen wurden, stießen und stoßen einmal mehr die Kleinverlage.

Hier ist auch und insbesondere Grit Richters Art Skript Phantastik Verlag zu nennen. Unermüdlich bastelt die Herausgeberin und Autorin an entsprechenden Büchern, die sie auch optisch immer versucht, aus dem Allerlei der Verlage hervorzuheben. Vorliegend etwa wurden die Texte auf Papier gedruckt, das selbst jeweils mit Illustrationen eines Kompasses und einer Dampfwolke verziert und unterlegt wurde.

Zwölf Autorinnen und Autoren haben sich dieses Mal inspirieren lassen und legen uns ihre Texte vor.

Da treffen wir auf eine in der Wüste havarierte Luftschifffahrerin, die ihren Mrs. Right in einem stählernen Körper trifft; begleiten eine Frau, die sich darauf spezialisiert hat, anrüchige oder gefährliche Dinge verschwinden zu lassen dabei, eine Expedition die das sagenumwobene Land Punt sucht am Erfolg zu hindern oder begleiten eine Berliner Zuckerhändlerin und einen Journalisten dabei, die Zuckermafia auffliegen zu lassen.

Danach heften wir uns an eine Luftpiratin, eine Rebellin auf deren letzter Fahrt. Verletzungen, amputierte Gliedmaßen gar sind schlimm. Was aber wäre, wenn ein Hexer einer Verletzten anbieten würde, das fehlende Bein mit einem dampfbetriebenen Teil zu ersetzen - doch alles hat seinen Preis... Wenn man den Weg verloren hat, nicht mehr weiß, wo man ist, dann ist guter Rat teuer. Gut, wenn man dann Geister an Bord hat, die man um Richtungsweisung bitten kann - und, das ist bekannt, Trüffelschweingeister finden immer zurück.

Auch im Zeitalter der Luftschiffe gibt es die Mär vom fliegenden Holländer - was aber steckt hinter dem Geisterschiff, auf dessen Deck grüne Schwaden wabern und in dessen Bauch sich Amphibienwesen tummeln? Ein neuer, revolutionärer Antrieb verleiht einem amerikanischen Luftschiff unglaubliche Geschwindigkeit. Doch dann havariert der Zeppelin im ewigen Eis, die Mannschaft bringt sich, von grüner Flechte befallen, um… Auf der Suche nach der legendären, lange verschollenen Aristoteles erreicht das Luftschiff einen inmitten ewigen Grüns gelegenen Tafelberg. Hier stoßen sie nicht nur auf das verschollene Schiff, sondern auch auf eine mehr als gefährliche Fauna...

Der Krieg hat Paris und London, ja ganz Europa zerstört. Mutantenhorden streunen umher, nur die Flucht auf eines der vielen, halb zerstörten Luftschiffe verspricht eine Chance auf Überleben... Die Geschichte von Moby Dick ist bekannt, Was aber, wenn die handelnden Tiere allen voran ein Mäuserich wäre, und ihr Wal eine weiße Möwe? Auch an Bord von Luftschiffen kommt es zu Verbrechen - kein Wunder, tragen doch die Damen ihren Schmuck und präsentieren sich den Dieben auf dem Präsentierteller...

Wie man sieht, bietet sich der Sammelband abwechslungsreich und spannend an. Der Inhalt hält sich an das Motto, den Leser abenteuerlich zu unterhalten, dabei an Bord der Luftschiffe in den Himmel zu entführen und die triste Welt dort unten vergessen zu machen - und das erreichen die Autoren auch.

Handwerklich bieten sich die Beiträge durchgängig solide an und inhaltlich wartet jede Menge Abwechslung auf den Rezipienten, so dass man für einen erstaunlich geringen Obolus viel Abenteuer-Flair schnuppern kann.

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