N. Horvarth, S. Hubmann & E. Hantsch (Hrsg.): Stadt unter dem Meer - Auf den Spuren H. P. Lovecrafts (Buch)

N. Horvarth, S. Hubmann & E. Hantsch (Hrsg.)
Stadt unter dem Meer - Auf den Spuren H. P. Lovecrafts
Titelbild: Chris Schlicht
Verlag Torsten Low, 2019, Taschenbuch, 338 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-940036-52-0

Rezension von Carsten Kuhr

Die Geschichten des Einsiedlers aus Providence haben ganze Leser-Generationen in ihren Bann gezogen. H. P. Lovecrafts Erzählungen um die Großen Alten wussten und wissen noch zu ängstigen, sind schlicht Kult und inspirieren weltweit Autoren, auf den Spuren des Meisters zu wandeln und eigene Texte um die Großen Alten vorzulegen.

Im Verlag Torsten Low erscheinen schon seit geraumer Zeit Anthologien, deren Beiträge sich ganz dem Untertitel folgend, den Spuren Lovecrafts widmen. Die Geschichtenweber haben in „Metamorphosen“, „Die Klabauterkatze“ und „Verbotene Bücher“ bereits bewiesen, dass man die Vorgaben aufgreifen und daraus etwas Eigenes, Neues machen können.

Zum vierten Mal hebt sich nun der Vorhang zu einer entsprechenden Original-Kollection. Dreizehn Beiträge deutscher Zunge erwarten den Leser. Die Vorgabe war dieses Mal, dass die Geschichten mit R’lyeh zu tun haben sollen.


Erinnern wir uns zurück an R’lyeh, die versunkene Stadt voller monolithischer Zeugnisse einer fremdartigen, unbegreiflichen, furchteinflößenden Kultur, die irgendwo im tiefen Pazifik am Meeresgrund auf ihre Wiederauferstehung wartet. Neben Monumentalbauten, deren Winkel für Menschen unbegreiflich bleiben, die ein seltsames Gefühl des Unwirklichen, des Grauenhaften beim Betrachter auslösen, ist die Stadt auch und insbesondere die Ruhestätte Cthulhus.

Dreizehn Autorinnen und Autoren nehmen sich dieses Topics an - und, wie kann es anders sein, auf ganz unterschiedliche Art und Weise.

Da gibt es Begegnungen mit der Stadt und deren Bewohner in einer fernen Zukunft, da begleiten wir Forscher und Entdecker in der Jetztzeit wie in der Vergangenheit auf ihren Reisen und Grabungen oder lernen Abkömmlinge der Bewohner und deren Nachfahren kennen.

Neben einem viel zu kurzen Beitrag von Michael Siefener haben es mir zwei Geschichten besonders angetan.

Patrick Kokoszynki veröffentlicht in der Anthologie mit „Das Manuskript des Eubosius“ seine erste Geschichte. Er erzählt uns von einem Professor für Altphilologie, der 1928 zwei postalische Sendungen erhält, die sein Leben aus der Bahn werfen. In einem Brief fragt ein Professor der Brown University aus Providence, Rhode Island, an, ob er ihm in Bezug auf eine im Pazifik entdeckte Insel mit merkwürdigen Bauten weiterhelfen kann. Ein Unbekannter hat ihm zudem ein authentisches, griechisches Papyri zugesandt, in dem in hehren Worten eine kataklysmische Katastrophe eines Inselstaates beschrieben wird. Die Übersetzung und die Korrespondenz mit dem Kollegen aus Übersee zeigen allerdings nur zu bald dramatische Auswirkungen auf das Haus und die geistige Gesundheit unseres Forschers .
Gerade für ein Erstlingswerk ist dieser Beitrag erstaunlich ausgereift und lässt großes Potential und Talent erkennen. Der Verfasser hat mich sofort in die Geschichte hineingezogen, baut seine übernatürliche Spannung behutsam auf, um im Finale dann den Leser zu erschrecken.

Auch Florian Hilleberg entführt uns in „Wächter von Chicxulub“ in die Vergangenheit. Er berichtet von einer wissenschaftlichen Expedition im Jahr 1886, die einen Professor und dessen Schüler über den Atlantik auf die Halbinsel Yukatan führt. Inmitten des mittelamerikanischen Dschungels treffen der Professor, ein uraltes Relikt und die Eingeborenen aufeinander - etwas Dunkles regt sich .
Ähnlich wie auch bei dem oben beschriebene Text von Patrick Kokoszynki funktioniert die Story durch ihre Ansiedelung in der Vergangenheit besser. Zu einer Zeit, als die weißen Flecken auf den Landkarten noch vorhanden waren, wirken die Schilderungen glaubwürdiger auf den Rezipienten, das Finale dann in sich stimmig.

Beide exemplarisch herausgegriffene Autoren lassen die Stadt R’lyeh selbst weitgehend außen vor, versuchen erst gar nicht, das Unbeschreibbare, die dunkle Ausstrahlung der merkwürdigen Winkel, der monumentalen Gebäude und der dort lebenden Wesen in Worte zu fassen. Dies wirkt letztlich überzeugender als der Versuch, die Stadt selbst als Handlungsort zu nutzen. An diese Vorgehensweise halten sich viele der im Buch vertretenen Autoren.

Insgesamt gesehen bietet der Band eine breite Palette von Beiträgen, die sich aus ganz unterschiedlichen Richtungen des Themas widmen. Wie erwähnt gibt es Verfasser, die in die ferne Zukunft eilen um uns von dem Ort zu berichten, andere zeigen das Hier und Jetzt auf, berichten zumeist über die Auswirkungen der Stadt auf Menschen, die sich ihr räumlich wie gedanklich nähern, oder entführen uns in eine Zeit, in der die Expeditionen noch Gelegenheit hatten wirkliches Neuland zu betreten.

Stilistisch, vom Lektorat wie von Druck her ist nichts zu bemängeln, hier legt Torsten Low wie gewohnt mustergültig redigierte Texte vor.

So bleibt als Fazit, dass mich wie dies bei Anthologien so üblich ist, nicht alle Beiträge begeistern konnten, doch das Gebotene für jeden Geschmack etwas bereithält. Dabei blieben plumpe Kopien der Lovecraft’schen Erzählweise glücklicherweise außen vor, versuchten die Verfasser erfolgreich ihre Leser mit ihren eigenen Ideen und Mitteln zu bannen und zu beunruhigen.