Emily Brontë: Sturmhöhe (Buch)

Emily Brontë
Sturmhöhe
(Wuthering Heights, 1847)
Übersetzung: Michaela Meßner
Carlsen, 2010, Taschenbuch, 510 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-551-31010-1

Rezension von Irene Salzmann

England, 1801: Mr Lockwood stellt sich als neuer Pächter von Thrushcross Grange den Bewohnern des Gutshofs Wuthering Heights vor. Mr. Heathcliff ist von dem nachbarlichen Besuch wenig angetan, erst recht nicht, als er Lockwood nach einer erneuten Begegnung beherbergen muss wegen eines Schneesturms. Was der Gast erlebt, nimmt ihn wenig ein für die wortkargen, einander offenbar hassenden Menschen, doch wecken sie auch seine Neugierde.

Nelly Dean, eine langjährige Angestellte der Familien Earnshaw und Linton, erzählt ihm schließlich die tragische Geschichte:

Der Findeljunge Heathcliff wächst mit den Kindern Hindley und Catherine Earnshaw auf, die ungefähr in Nellys Alter sind. Zunächst hassen alle den Neuankömmling, vor allem da der Vater ihn bevorzugt. Auf diese Weise treibt er Hindley aus dem Haus, der erst mit seiner Frau Florence und dem gemeinsamen Sohne Hareton als Erbe des Guts zurückkehrt.

Unterdessen haben sich die wilde Catherine und Heathcliff mehr als nur angefreundet, doch aus verletztem Stolz gibt Catherine dem Werben von Edgar Linton nach, und Heathcliff verschwindet für einige Jahre. Als er wieder auftaucht, ist er ein gemachter Mann und kauft dem verwitweten und verschuldeten Hindley Wuthering Heights ab. Er treibt einen Keil zwischen Catherine und Edgar, der sich gezwungen sieht, Heathcliff wegen der offen zur Schau gestellten Zuneigung der beiden aus dem Haus zu weisen. Dieser rächt sich, indem er mit Catherines verliebter und naiver Schwägerin Isabella durchbrennt und sie als seine Frau nach Wuthering Heights bringt, wo sie seinen Launen genauso ausgeliefert ist wie Hindley, Hareton und die Bediensteten, bis es ihr gelingt zu entfliehen.

Catherine steigert sich so sehr in ihren Kummer darüber hinein, dass sie Heathcliff nicht mehr sehen darf, dass sie erkrankt und nach der Geburt ihrer und Edgars Tochter, die ebenfalls Catherine genannt wird, stirbt. Isabella folgt ihr einige Jahre später nach, und Heathcliff holt den gemeinsamen kränkelnden Sohn Linton zu sich. Er sorgt dafür, dass die flüchtige Bekanntschaft zwischen dem Jungen und Catherine wieder auflebt. Zunächst verliebt sich das Mädchen in den Cousin, doch als sie seine unangenehmen Seiten erkennt und begreift, dass sie beide nur benutzt werden, damit Heathcliff seine Rache vollenden kann, ist es zu spät, denn Edgar stirbt, und so kann sie niemand mehr beschützen. Durch die Ehe mit Linton fällt nach dessen Tod Thrushcross Grange ebenfalls an Heathcliff.


Eigentlich ist „Sturmhöhe“ nicht wirklich ein Jugendbuch, auch wenn diese Ausgabe in einem Jugendbuch-Verlag erschienen ist. Ausschlaggebend dafür war vermutlich, dass der Titel das Lieblingsbuch von Bella und Edward aus der „Twilight“-Tetralogie ist, die ebenfalls von Carlsen publiziert wurde. Man setzte darauf, dass die Fans ein Interesse an Büchern entwickeln würden, die von den beliebten Figuren geschätzt werden. Offensichtlich verkaufte sich „Sturmhöhe“ gut genug, um 2016 eine Neuauflage zu erfahren.

Man muss jedoch kein „Twilight“-Anhänger sein, um das Drama aus der Feder von Emily Brontë (1818-1848) mit Spannung zu lesen, denn es ist ein Klassiker, der auch heute noch das Publikum in den Bann zieht. Die düstere, unheilschwangere Atmosphäre beeindruckt nicht nur Vampir-Freunde, und jeder leidet mit den Protagonisten, die mehr oder weniger Opfer und zugleich Täter sind aufgrund von Egoismus, Sturheit und Hass, der sie antreibt, Dinge zu sagen und zu tun, mit denen sie andere und sich selbst oft gezielt verletzen.

Die Leidtragenden sind zwei Generationen Earnshaws und Lintons, an denen sich Heatchcliff bitterlich rächt - weil er es kann. Es ist seine Vergeltung dafür, dass er auch als wohlhabender Mann ein Außenseiter blieb und nicht mit Catherine zusammenkommen konnte. Sehr wohl weiß er um seine Fehler, wiegt sie aber gegen die Verfehlungen der anderen auf und überträgt seinen Hass sogar auf unschuldige Kinder. Erbarmen oder Verzeihen kennt er nicht, und so nutzt er seine Möglichkeiten, allen das Leben zur Hölle zu machen und sie dazu zu bringen, fast so zu werden wie er selbst.

Es gibt zwar ein Happy End, aber nur für jene, die den Hass hinter sich lassen und neu anfangen. Dass Heathcliff seinen Frieden erst im Tod findet, ist vorhersehbar, denn Catherine lässt ihn nicht los. Mitunter möchte man Mitleid mit ihm haben, da man seinen Schmerz nachempfinden kann, doch sein grausames Verhalten gegenüber den Opfern erstickt diese Regung im Keim.

„Sturmhöhe“ beziehungsweise „Wuthering Heights“ wurde mehrfach verfilmt, wobei sich die meisten Regisseure lediglich des ersten Teils bis kurz nach dem Tod von Catherine annahmen. Die früheste Umsetzung ist ein Stummfilm von 1920; die bekannteste dürfte jene von 1939 mit Merle Oberon, Laurence Olivier und David Niven sein; als die exotischste wird man die japanische („Arashi ga oka“) von 1988 nennen. Einzelne Adaptionen berücksichtigen den kompletten Stoff, wobei zwei britische Mini-Serien der Romanhandlung besonders authentisch folgen. Zwei Spätverfilmungen verlagern die Handlung gar nach Amerika und ins 21. Jahrhundert.

Überdies finden sich einige literarische Adaptionen, die entweder die Handlung nach Heathcliffs Tod fortspinnen, erzählen, was Heathcliff in der Fremde erlebt hat, oder die Geschehnisse in einen anderen Kontext verlagern.

Auch Musiker ließen sich von der Saga inspirieren, darunter Kate Bush, Genesis und Cliff Richard.

„Sturmhöhe“ ist ein Klassiker, den man kennen sollte. Auch nach rund zweihundert Jahren hat Emily Brontës eindringliches Werk mit seinen ungewöhnlichen Charakteren und Konfliktsituationen nichts von seiner Faszination eingebüßt.