Tomoe 2: Der göttliche Spiegel (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 27. März 2019 18:43

Tomoe 2
Der göttliche Spiegel
Autor: Jack Manini
Zeichnungen: Tieko
Übersetzung: Julika Herzog
Panini, 2018, Hardcover, 56 Seiten, 17,00 EUR, ISBN 978-3-7416-1008-0
Rezension von Irene Salzmann
Der Pirat Yoshinaka zwingt Tomoe, die zu einer jungen Frau und starken Kriegerin gereift ist, seine Gemahlin zu werden. Nachdem er mit seinen Leuten die Insel verlassen hat, will sie zusammen mit Oda, Yoshinakas Sohn, fliehen. Die beiden werden jedoch von einem Lehrmeister Tomoes davon abgehalten: Yoshinaka würde sie so lange verfolgen, bis er beide wieder in seiner Gewalt hat, denn er hält sich für einen Nachkommen des legendären Yoshinakas und Tomoe für die Reinkarnation von dessen Gefährtin.
Indem sie in die Rollen ihrer Ahnen schlüpfen, will der Pirat an die Macht gelangen und den schwachen Shogun ablösen. Für seinen gewagten Plan braucht er Tomoe und kennt keine Skrupel, um sie sich gefügig zu machen.
Notgedrungen bleibt sie an der Seite des ihr verhassten Mannes, während der Alte später, wie er es versprach, Oda die Flucht ermöglicht. Sie begegnen einander wieder, auf verschiedenen Seiten, denn Yoshinaka hat ihre Dienste den Hosokawa angeboten, während Oda für die Yamana kämpft. Indem Yoshinaka Yoshimi, den Bruder des Shoguns, ermordet und Tomoe Feuer legt, schüren sie den Hass der machthungrigen Daimyo aufeinander. Noch kann der Shogun den Krieg verhindern durch das Symbol seiner Macht, den göttlichen Spiegel.
Sei, die schwangere Geliebte des Shoguns, will ihren Sohn zu seinem Nachfolger machen und verrät Yoshinaka das Versteck, um den Spiegel in die Hand zu bekommen. Der Pirat verrät erst Sei und dann die Hosokawa, die sich und die Yamana gegenseitig in der Schlacht geschwächt haben. Der Shogun und seine Familie fliehen mit Odas Hilfe, während die Piraten Kyoto niederbrennen und besetzen. Yoshinaka hat sein Ziel erreicht und Tomoe ihren Schwur ihm gegenüber erfüllt. Nun, im November 1467, ist ihre Zeit der Rache gekommen.
Der zweite „Tomoe“-Band knüpft nahtlos an den Vorgänger an. Eine kurze Zusammenfassung eingangs hilft dem Leser, der sich eventuell an die bisherigen Geschehnisse nicht mehr genau erinnern kann, auf die Sprünge.
Obwohl Tomoe Yoshinaka hasst für all das, was er ihr, Oda und den Menschen des Dorfes, in dem sie früher lebte, angetan hat, siegt ihre Vernunft. Statt zu fliehen, fügt sie sich seinen Plänen und wartet ab. Notgedrungen begeht sie Anschläge und tötet. Da sie tatsächlich die Reinkarnation der Göttin des Wassers zu sein scheint, ist es ihr möglich, den Spiegel an sich zu nehmen, der für Sei zum Verhängnis wurde, und ihn Yoshinaka zu übergeben.
Tatsächlich ist er der lachende Dritte, nachdem sich die Hosokawa und Yamana gegenseitig aufgerieben haben und von den Piraten niedergemäht werden konnten. Eine glückliche Zukunft an Odas Seite gibt es jedoch nicht für Tomoe, denn sie hütet ein Geheimnis, von dem er nichts erfahren soll.
Damit endet das Album und lässt das weitere Schicksal der Titelfigur offen. Falls Jack Manini nicht beschließt, es so zu halten wie die verschiedenen Quellen, die das Leben von Tomoe Gozen, dem historischen Vorbild seines Charakters, schildern und die keine belegten Angaben liefern, ob ihr nach der Schlacht von Awazu wirklich die Flucht gelang und was danach aus ihr wurde, könnte er noch so manchen losen Faden aufnehmen.
Vermag der Shogun (Ashikaga Yoshimasa blieb bis 1473 im Amt) seine Position wieder festigen, schon in Hinblick auf seinen Sohn, der zum Nachfolger bestimmt wurde (Yoshihisa war von 1474 bis 1489 Shogun)? Wer tritt an die Stelle der geschlagenen Hosokawa und Yamana? Und was wird Tomoe tun, die jetzt den Spiegel besitzt, in Hinblick auf ihr Geheimnis?
Das Geschichtsbuch verrät, dass der Autor sich viele künstlerische Freiheiten genommen hat, um den Verlauf der Handlung um die fiktiven Figuren in die von ihm gewünschten Bahnen zu lenken. Tatsächlich sollte sich der Onin-Krieg zwischen den Hosokawa, die den Bruder des Shoguns und potentiellen Nachfolger, Yoshimi, der hier ermordet wird, unterstützten, und den Yamana, die Yoshihisa, den Sohn des Shogun, favorisierten, elf Jahre hinziehen und die Hosokawa vorübergehend stärken, wenngleich es ihnen nicht gelang, Yoshimi als Shogun einzusetzen. Die Rivalitäten der Daimyo und schwache Shogune führten schließlich zu einem Auseinanderbrechen des Reiches während eines rund hundert Jahre dauernden Bürgerkriegs (Sengoku-Zeit), der von Tokugawa Ieyasu beendet wurde (hier setzt die Handlung von James Clavells Roman „Shogun“ ein, der mit Richard Chamberlain und Toshiro Mifune als Vierteiler ins TV kam).
„Tomoe“ ist ein hochdramatischer History-Comic mit einigen Fantasy-Elementen, der den Leser schnell in eine rasante Handlung hineinzieht. Die detailreichen Zeichnungen von Tieko, koloriert von Dominique Osuch, erinnern vom Stil her an die Farbholzschnitte (Ukiyo-e) von Künstlern wie Hiroshige (1797-1858) und Hokusai (1760-1848). Eine faszinierende Serie, die hoffentlich noch nicht zu Ende ist.