Ransom Riggs: Der Atlas der besonderen Kinder (Buch)

Ransom Riggs
Der Atlas der besonderen Kinder
(A Map of Days, 2018)
Übersetzung: Silvia Kinkel
Knaur, 2019, Hardcover, 506 Seiten, 18,00 EUR, ISBN 978-3-426-22657-5 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Gunther Barnewald

Nachdem Ransom Riggs die Trilogie um die „Besonderen Kinder“ mit „Die Bibliothek der besonderen Kinder“ erst einmal beendet hatte, kehrte er bald mit Kurzgeschichten („Die Legenden der besonderen Kinder“) in dieses Universum zurück.

2018 erschien dann auch dieser, inzwischen vierte Band der Serie, welche die Handlung mit neuem Ausgangspunkt fortsetzt, da die größten Gefahren gebannt scheinen.

So ist der Auftakt der neuen Handlung eher gemächlich und sehr verschlafen geraten. Erst nach knapp 80 Seiten beginnt die Handlung dann doch Fahrt aufzunehmen und spannender zu werden.

 

Jacob Portman entdeckt, dass sein verstorbener Großvater in verborgenen Räumlichkeiten um sein altes Haus herum einige Geheimnisse versteckt hatte und spürt diese auf. Es gelingt Jacob, einen alten Mitarbeiter seines Vaters ausfindig zu machen und zu kontaktieren. Dieser gibt Jacob mehrere Aufträge mit, welche diesen, zusammen mit einigen der besonderen Kinder, quer durch die USA führen.

In einer Art Schnitzeljagd müssen die Reisenden Rätsel lösen, Orte und Personen ausfindig machen, und geraten dabei dann doch wieder, völlig unvermittelt und abrupt, in tödliche Gefahr...


Der vierte Band der Serie bereitet vor allem jenseits der ersten und vor den letzten 80 Seiten großes Lese-Vergnügen. Neben dem arg zähen Anfang enttäuschen vor allem die letzten Seiten, denn einerseits verlangen sie nach mindestens einer möglichst schnellen Fortsetzung, andererseits macht der Autor die Bemühungen seiner Protagonisten in diesem Buch auf wenigen Seiten fast vollständig zunichte, was sehr schade ist.

Zudem läuft Ransom Riggs immer mehr Gefahr, dass seine Protagonisten mehr und mehr zu jenen glänzenden Figuren werden, die man von den Superhelden-Comics her kennt. Waren die besonderen Kinder immer verletzlich, schützenswert und oft auch beeinträchtigt, trotz ihrer besonderen Fähigkeiten, so deuten sich in dieser Geschichte immer machtvollere übernatürliche Talente an, so dass man sich als Leser an die X-Men der Comics und Filme erinnert fühlt. Das besondere an den „Besonderen Kindern“ schwindet und wird durch die üblichen Superhelden-Klischees ersetzt, was auch bedeutet, dass die Schwarz-Weiß-Zeichnungen zunehmen, die ganze Geschichte immer eindimensionaler wird.

Wenn dann erneut die ganze Menschheit gerettet werden muss, dann fragt man sich als Leser schon, warum der arme Jacob Portman nun schon wieder ran muss, hatte er dies doch gerade erst in Teil 3 erledigt. Auch das Geraune von Prophezeiungen und vorhergesagten übersinnlichen Talenten, die das Schicksal der Welt bestimmen, klingt nicht wirklich verheißungsvoll, sondern eher nach üblem Klischee.

Dazu kommt leider auch, dass dem Autor anscheinend die interessanten alten Fotos ausgehen. Das Besondere, Übernatürliche verschwindet hier immer mehr, und macht Karnevalskostümen und ähnlichem Klamauk Platz. Nur wenige der alten Aufnahmen in diesem Band fesseln die Aufmerksamkeit des Lesers länger, so wie dies bei den Bildern früherer Bände noch üblich war.

Trotz dieser evidenten Schwächen ist auch der vierte Band dieser Serie wieder überaus lesenswert und wer die „Besonderen Kinder“ und ihre verrückte Welt der Zeitschleifen in sein Herz geschlossen hat, kann sich auf ein weiteres tolles Abenteuer aus dieser Welt freuen. Weitere werden sicherlich folgen. Ob dies aber gut ist für die gesamte Serie, das wird sich erst in der Zukunft erweisen.