Paul Kearney: Das zweite Imperium - Die Königreiche Gottes 4 (Buch)

Paul Kearney
Das zweite Imperium
Die Königreiche Gottes 4
(The Second Empire - Monarchies of God 4, 2000)
Übersetzung: Michael Krug
Titelbild: Timo Kümmel
Atlantis, 2017, Paperback, 326 Seiten, 13,90 EUR, ISBN 978-3-86402-530-3 (auch als Hardcover und eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Richard Hawkwood hat es geschafft, mit seinen letzten Getreuen vom westlichen Kontinent nach Hebrion zurückzukehren, wo König Abeleyn nach schwersten Kriegsverletzungen endlich wieder die Regierungsgeschäfte führt, was er nicht zuletzt seinem treuen Freund, dem Magier Golophin, und seiner Braut, Prinzessin Isolla, zu verdanken hat. Aber auch der machthungrige Prinz Murad ist zurück und könnte zusammen mit der schwangeren Ex-Geliebten Abeleyns, Jemilla, zu einer neuen Bedrohung werden, vor allem da Golophin sich in seinen Turm zurückgezogen hat, um über seinen Freund Bardolin zu wachen, der nicht mehr der Mann ist, der er vor der Reise in den Westen war, und die Verlockungen höherer Magie verspürt.

Derweil kämpft die torunnische Armee gemeinsam mit ihren wenigen Verbündeten in einem Krieg, der praktisch nicht zu gewinnen ist. Die Merduks sind den Verteidigern zahlenmäßig weit überlegen und kennen keine Gnade. Allein dem taktischen Geschick von Corfe, der vom einfachen Soldaten zum General und Oberbefehlshaber aufgestiegen ist und die Gunst der Königin genießt, ist es zu verdanken, dass die Aggressoren aus dem Osten das Land noch nicht völlig überrannt haben. Aber Corfe hat Feinde, die den Aufsteiger ablehnen und ausgerechnet dann eine Revolte anzetteln, als die Merduks vor den Toren der Stadt stehen.


Wie man es bereits von Paul Kearney gewohnt ist, wechseln die Schauplätze und Akteure regelmäßig, und auch ihre Handlungsanteile sind in den Büchern ungleichmäßig verteilt.

So erfährt man in dem vorliegenden vierten Band, dass Hawkwood, Murad und Bardolin wieder in der Heimat sind, doch bleibt offen, welche Folgen das haben wird, insbesondere für Abeleyn und Isolla. Der Andeutung, dass sich etwas zusammenbraut, was über das Bisherige (interne Streitigkeiten zwischen Klerus und Adel, Papst und Gegenpapst) hinausgeht, liegt überdeutlich auf der Hand, denn der Feind hat nun einen Namen und betätigt sich als Verführer. Hier drückt der Autor auf die Bremse, um nicht zu viel zu verraten, doch nährt er die Phantasie der Leser durch vielerlei Hinweise.

Etwas direkter und vor allem ausführlicher gestaltet er die Handlungsebene von Corfe, immer wieder unterbrochen durch die Ereignisse am Hof seines unmittelbaren Merduk-Gegenspielers Aurungzeb. Von ganz unten stieg Corfe auf wie ein Komet, weil er trotz einiger Todeskommandos nicht nur lebend in die Feste zurückkehrte, sondern das Schlachtfeld auch als Sieger verließ. Da sie seine Fähigkeit als Anführer erkannte, förderte die Königinmutter, die nach dem Tod ihres Sohnes nach der Krone griff, sein weiteres Vorankommen und bietet ihm nun ihre Hand zum Wohle ihres Landes an, sehr wohl wissend, dass er sie nicht liebt, jedenfalls nicht so wie seine verlorene Frau. Aufgrund der Kompilierung beider Stränge darf man spekulieren, dass nach der finalen Schlacht noch Einiges passieren wird.

Außerdem müssen alle weiterhin parallel verlaufenden Ereignisse verknüpft werden. Zum einen besteht noch immer das etwas vergessene Problem zweier Päpste, das nun um neue Erkenntnisse, welche auch die Mullahs der Merduks betreffen, bereichert wurde, aber eben auch das Wohl und Wehe des östlichen Kontinents, dessen Bevölkerung uneins ist, und die teilweise keine Ahnung hat, dass Invasoren auf dem Weg sind, die sie nicht einfach mit dem Schwert zurückschlagen können - und einige der ihren könnten von deren Ideen auf einen anderen Pfad gelockt worden sein, was ihnen nicht einmal zu verdenken ist, waren sie von jeher Gejagte.

Die Story wartet, wie man unschwer erkennen kann, mit reichlichen Anleihen an die Geschichte auf. Einige Stichworte sind bereits gefallen, andere darf man anhand der Ereignisse selbst formulieren, ob das nun die (Wieder-) Entdeckung eines neuen Kontinents ist, der Machtanspruch einer aggressiven Religion über die Länder sogenannter Ungläubiger oder der (vergebliche?) Versuch, zwei Glaubensrichtungen mit einem gemeinsamen Religionsstifter und Gott dazu zu bewegen, feindliche Handlungen einzustellen. Letztendlich wird das Schicksal aller Menschen des östlichen Kontinentes davon abhängen, ob es den rivalisierenden Gruppen gelingt, ihre Zwistigkeiten zu beenden, um den gemeinsamen Feind zu bekämpfen.

„Die Königreiche Gottes“ sind eine grausame Lektüre mit vielen Kampfhandlungen und leider auch Opfern unter den ‚Guten‘. Das ist keine ‚Hausfrauen‘-Fantasy sondern etwas für Leser, die mit realistische Metzeleien zurechtkommen. Keinesfalls dienen die beschriebenen Gräuel dem Selbstzweck. Paul Kearney schildert die Schrecken des Krieges realistisch und neutral, und das reicht schon, um dem arglosen Publikum den Horror zu vermitteln. Manchmal mag man nicht weiter lesen, doch nimmt man Anteil am Schicksal ‚der Guten‘, und so bleibt man am Ball.

Spannend,  ergreifend, aber auch sehr brutal - und nichts für ‚Happy End Hopers‘.