Andreas C. Knigge: Der Griff nach den Sternen - Nick der Weltraumfahrer von Hansrudi Wäscher (Buch)

Andreas C. Knigge
Der Griff nach den Sternen  - Nick der Weltraumfahrer von Hansrudi Wäscher
Titelbild: Hansrudi Wäscher
comics-etc., 2018, Hardcover, 264 Seiten, 48,95 EUR, ISBN 978-3-941694-34-7

Rezension von Carsten Kuhr

Man schrieb das Jahr 1958; die Russen hatten gerade ihre ersten Sputniks ins All gesandt, der Kalte Krieg drohte ein heißer zu werden und Deutschland entschloss sich zu militarisieren und der NATO beizutreten.

Diesen weltbewegenden Ereignissen zum Trotz, hatte es die Jugend nicht einfach. Zwar waren die Trümmerstädte, die der Zweite Weltkrieg in Deutschland hinterlassen hatte geräumt, begann sich im Wirtschafts-Wunderland erster Wohlstand zu verbreiten, doch man hatte sich als junger Mensch unterzuordnen, sich zu benehmen und den Konventionen zu entsprechen. Für Träume, für Abenteuer und Phantasie blieb da, zumindest wenn man auf die meisten Pädagogen hörte, wenig bis kein Raum. Doch wie zu allen Zeiten wussten sich die Heranwachsenden zu wehren. Sie suchten und fanden ihre Freiräume, sie rebellierten, wollten wie immer alles anders machen, als ihre Eltern.

Ein Teil der damaligen Auseinandersetzung richtete sich gegen die an den Kiosken landesweit aufkommende Schund- und Schmutzliteratur. Schon vor dem Krieg, damals noch in kleinoktaven Lieferungen, erschienen Abenteuerserien wie „John Kling“, „Rolf Torring“ und „Sun Koh“, die ihre Anhänger begeisterten. Hier schlossen sich nach dem Wiederaufbau die Hefte der Verlage von Moewig oder Pabel an. „Perry Rhodan“ war noch nicht geboren, doch „Utopia“ und „Terra“ wiesen schon den Weg. Dazu kamen bunte Titelbilder, die den Inhalt auch grafisch umsetzen.

Mehr noch als die Romanhefte lockten zu dieser Zeit aber die kleinen, gezeichneten Geschichten des Lehning Verlags die Lausbuben und Halbstarken an die Kioske. Nach einigen Übernahmen aus Italien machte ein junger Zeichner von sich Reden. Hansrudi Wäscher, in der italienisch sprechenden Schweiz aufgewachsen, stieß mit seinen Vorschlägen Türen auf. Sigurd machte den Anfang, dann folgten Tibors Dschungel-Abenteuer bevor er, dem erfolgreichen Launch der sowjetischen Satelliten folgend, in die Weiten des Alls vorstieß.

„Sputnik“ diente als Namensgeber für den wackeren Raumfahrer, um den sich seine Bildgeschichten rankten. Nick, der Weltraumfahrer war geboren.

Ab dem Februar 1958 bis in den September 1960 hinein erschienen 139 Piccolos, in denen der Leser in einem schmalen Büchlein dem wackern Helden zunächst ins heimische Sonnensystem, später zu anderen Zielen folgen sollte.

Parallel startet man im Verlag 1959 bis in den Juli 1963 hinein eine weitere Serie, die in 121 Großbänden unter dem Titel "Nick, Pionier des Weltalls" den Leser mit zeichnerischem Nachschub, dieses Mal gar im Vierfarbdruck, später alternierend mit Zweifarbseiten versehen, versorgte.

Neuauflage und Fortsetzungen erschienen seitdem bei Melzer, CBC und Hethke. Seit einigen Jahren wird im Verlag Peter Hopf gar eine recht erfolgreich Roman-Adaption der Comics angeboten.


Nun also hat sich ein ausgewiesener Fachmann der Comic-Szene der Reihe(n) angenommen.

Andreas C. Knigge macht es sich nicht einfach. Er schildert nicht nur die Inhalte der Hefte - alle Serien um und mit Nick werden hierbei erfasst -, er versucht auch die Geschichten und ihre Entwicklungen ins tagespolitische Geschehen und die gesellschaftliche Entwicklung einzuordnen.

Damit nicht genug, präsentiert er uns im Format 26,5 x 25 cm Reproduktionen der besten Zeichnungen aus den Heften. Dabei zeigt er auch den Weg auf, den Wäscher als Schöpfer und Zeichner zurückgelegt hat.

Insbesondere Wäschers ganz eigene Art in den Großbänden nicht länger die Handlung in Streifenform anzubieten, sondern hier ungewöhnliche vieleckige Darstellungsmöglichkeiten zu nutzen, ist bemerkenswert. Auf diese Weise schafft es der Zeichner, seine Handlung mit noch mehr Tempo und Rasanz zu unterlegen und den Leser an die Seiten zu fesseln.


Es ist ein Prachtband geworden, eine Hommage nicht nur an den Künstler und Schöpfer Hansrudi Wäscher, sondern auch ein Streifzug durch die Bundesdeutsche Geschichte. Gerade diese Passagen, in denen Knigge Verweise auf die gesellschaftlichen Konflikte und deren Auswirkungen auf Nick thematisiert, gehörten für mich bei der Lektüre zu den interessantesten Passagen.

Beigegeben hat der Verlag dem Band dann noch zwei bislang gänzlich unveröffentlichte „Nick“-Piccolos mit zwei neuen Geschichten, die im Nachlass Wäschers aufgefunden wurden.

So wird dieser Band nicht nur in Bibliotheken der Universitäten sondern auch im Sammler- und Fan-Kreisen für Aufregung und Interesse sorgen, ist dieser aufgrund der hochwertigen Herstellung mit Fadenheftung, bestem Kunstdruckpapier und den unzähligen farbigen Abbildungen doch ein Genuss fürs Auge und ein rundum gelungenes Werk.