Alice Matheson 1: Tag Z (Comic)

Jean-Luc Istin
Alice Matheson 1
Tag Z
(Alice Matheson: Jour Z, 2015)
Titelbild und Zeichnungen: Philippe Vandaële
Übersetzung: Tanja Krämling
Splitter, 2016, Hardcover, 48 Seiten, 14,80 EUR, ISBN 978-3-95839-300-4

Rezension von Elmar Huber

Alice Matheson ist Krankenschwester im Londoner St. Mary’s Hospital, wo sie ihrer Leidenschaft frönt, das Leiden sterbenskranker Patienten zur eigenen Befriedigung zu beenden. Nachdem sie eine an Gebärmutterhalskrebs Erkrankte… erlöst hat, erhebt sich diese von der Bahre und greift die Krankenschwester an, die die Tote nur mit Hilfe einer chirurgischen Bohrmaschine stoppen kann.

Zum selben Zeitpunkt werden die Opfer einer Massenkarambolage ins St. Mary’s eingeliefert, die unerklärliche Bisswunden aufweisen. Einer der Patienten erliegt seinen Verletzungen und erhebt sich ebenfalls kurz darauf wieder, um seine Frau und einen Sanitäter anzugreifen und zu beißen. Erst ein Kopfschuss kann ihn stoppen.

Andere Unfallbeteiligte machen verstörende Aussagen über den merkwürdigen Mann, der den Unfall verursacht hat. Auch dieser bewegte sich trotz tödlicher Verletzungen immer weiter und hat mehrere Unfallopfer gebissen. Sofort werden alle Beteiligten in Quarantäne verlegt, wo Agent Kitson von Scotland Yard und Klinikleiter Dr. Skinner versuchen, den Ereignissen methodisch auf den Grund zu gehen und der Lage Herr zu werden.


Puh, nach diesem Ritt muss man erst einmal durchatmen. Eigentlich spricht alles dagegen, doch „Alice Matheson“ 1 fesselt von der ersten Szene bis zum abschließenden Cliffhanger.

Doch der Reihe nach: Auf den ersten Seiten empfiehlt sich die äußerst attraktive Krankenschwester Alice Matheson als weiblicher Dexter Morgan, die ihre todgeweihten Patienten killt. Spätere Szenen charakterisieren sie als äußerst intelligent, aber ihren Kollegen gegenüber verschlossen und gefühlskalt. Bewusst hält sie Abstand zu anderen Menschen. Ausgerechnet ihr gutes Aussehen bringt sie in eine Zwangslage, als der attraktive Dr. Barry, dem jede Besenkammer im Krankenhaus für einen kleinen Fick unter Kollegen recht ist, Interesse an ihr entwickelt.

Von einem Moment zum anderen versetzen die Opfer eines Autounfalls das St. Mary’s in den Ausnahmezustand. Alices Bericht über ihre verstorbene und wieder auferstandene Patientin und vor allem ihr Geistesblitz, ihrer Angreiferin ein Loch in den Kopf zu bohren, katapultiert sie in Skinners Krisenstab, wo sie plötzlich als Teil eines kleinen Spezialistenteams im Rampenlicht steht. Keine guten Voraussetzungen, um ihr kleines Hobby möglichst unbemerkt weiter zu betreiben.

Wie schon in „Die Nacht der lebenden Toten“ hält sich Jean-Luc Istin („Die Druiden“, „Elfen“) nicht lange mit Erklärungen und Vorreden auf, sondern bringt lieber gleich die Story auf Vollgas. Er arbeitet mit schnellen, perfekt platzierten Szenenwechseln und spielt dabei mehr als einmal mit dem Unerwarteten. Er macht das Krankenhaus zum Epizentrum einer Zombie-Epidemie und entwickelt innerhalb dieses Dampfkessels die Charaktere, die immer mehr Facetten bekommen. Besonders Klinikleiter Skinner empfiehlt sich als hinterfotziger und undurchsichtiger Kontrollfreak, der garantiert noch für die eine oder andere Überraschung gut ist. Die Konzentration der Handlung auf das Krankenhaus sorgt zusätzlich für erzählerische Dichte. Verflucht großartig!

Im Hinterkopf fragt man sich außerdem, was im restlichen London so los ist. Immerhin wurde man Zeuge zweier Zombiefizierungen, die unabhängig voneinander stattfanden. So kann man „Tag Z“ durchaus als Parallelhandlung zu Istins „Die Nacht der lebenden Toten“ lesen, von wo er auch nicht wenige Handlungselemente hierher übernommen hat. Neu ist der schwarze Understatement-Humor, der die „Dexter“-Fans ansprechen wird, und reichlich zynisch-trockene Off-Kommentare von Alice Matheson herself.

Für Zeichner Philippe Vandaële ist es die erste Serie. Die Bilder sind äußerst gelungen, schön düster, ohne dies zu zelebrieren. Charaktere und Mimik sind brillant dargestellt. Vandaële beherrscht die klinische Sterilität des Krankenhauses, kann aber auch sehr sexy, wie Dr. Barrys eingehende Untersuchung seiner Kollegin Payne beweist.

„Dexter“ im Zombieland. Großartiger Auftakt einer kuriosen Genre-Mix-Serie.