Alisha Bionda (Hrsg.): Moriturus - Der Letzte heißt nicht Tod (Buch)

Alisha Bionda (Hrsg.)
Moriturus - Der Letzte heißt nicht Tod
Titelbild und Innenillustration: Atelier Bonzai
Fabylon, 2018, Hardcover, 232 Seiten, 18,00 EUR, ISBN 978-3-946773-09-2 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Eine Anthologie um und über Zombies - ist das überhaupt etwas für mich, so fragte ich mich zu Beginn der Lektüre. Klar ist, dass die wandelnden Untoten spätestens nach dem enormen Publikumszuspruch, die die TV-Serien um die Walking Dead erreichten, en vogue sind. Verlage aller Couleur versorgten und versorgen uns seitdem mit literarischem Nachschub, allein die unappetitlichen weil verwesenden Leichen sind nicht unbedingt meine Lieblingsprotagonisten.

Allerdings ist es in aller Regel ja so, dass eher deren Nahrung, also die noch Lebenden, im Sitz des Erzählers Platz nehmen; Texte, die aus der Sicht der wiederbelebten Leichen erzählt werden, sind Mangelware.

Nun, rein optisch ist das Buch bestechend. Wie dies bei den von Alisha Bionda betreuten Büchern meist der Fall ist, sind die Beiträge illustriert; zahlreiche kleine, im Text verteilte Vignetten runden das optisch tolle Bild ab.


Was aber wartete inhaltlich auf mich?

Stefan Lindners „Doc Zombie“ entführt uns in die Stadt des Voodoo nach New Orleans. Hier, wo die Bocor und Mambo herrschen steht die Polizei vor einem Rätsel. Ein Serienkiller, der sich auf farbige Prostituierte spezialisiert hat, geht um. Das Dezernat steht unter Druck, so dass der Fall eines verschwundenen deutschen Arztes an den jüngsten Neuzugang delegiert wird. Die Ermittlungen führen ihn auf die Spur eines von der Reanimation der Leichen besessenen Mannes.
Die Erzählung beginnt vielversprechend, punktet mit ein wenig Big Easy Flair - bevor sie abrupt und leider unbefriedigend zu Ende gebracht wird.

In Michael Siefeners „Kult“ begegnen wir einem alten, vereinsamten Autor. Herr Mandelkern ist seit einem Vierteljahrhundert Witwer, seine Tochter starb fünf Jahre nach seiner Frau. Jetzt aber erhält er über Graffiti mysteriöse Botschaften, ein aufdringlicher Fan will ihn treffen und auf dem Friedhof bemerkt er einen Mann, der einer seiner Romanfiguren gleicht. In einem Cafe trifft er schließlich auf seinen Fan und wird von diesem überredet, wieder etwas zu Papier zu bringen.
Wie immer wenn Michael Siefener, bildlich gesprochen, zur Feder, greift erwartet etwas Besonderes den Leser. Atmosphärisch dicht, stilistisch anspruchsvoll erzählt er von einer einsamen, innerlich verzweifelten Seele, die heimgesucht wird. Kein Zombie-Thema und doch, vielleicht gerade deswegen die Lektüre mehr als wert.

Ein ehemaliger Hotelportier will, nachdem er die letzten Jahre nach dem Tod seiner angebeteten Frau auf Weltreise verbracht hat, am Comer See seien Altersruhesitz nehmen. Ein altes, einst von einem extravaganten Künstler genutztes Anwesen erworben hat, soll ihm eine neue, geruhsame Heimat schenken. Allein, in Marc-Alastor. E. -E. „Der Letzte heißt nicht Tod“ wartet im neuen Anwesen unsere Pensionärs in einer unzugänglichen Ecke etwas auf ihn…
Wie wir dies von Marc-Alastor E. -E. kennen, erwartet uns auch vorliegend eine besondere Mär. In seiner bekannt blumigen Sprache gelingt es dem Autor, den Schrecken der Nacht und der Begegnung mit dem Wiedergänger wunderbar intensiv festzuhalten.

In Bernd Rümmeleins „Z“ erleben wir die Zombieveriserung aus der Sicht eines der untoten Opfer mit. Wir erkunden die Steifheit toten Fleisches, die Gier nach Blut und den Ruf, der vom Initiator von Z ausgeht.
Die ungewohnte Perspektive dient dem Autor als Einstieg, uns vom Fühlen seiner Opfers und dessen Schicksal zu berichten, ohne dabei in die Niederungen des plakativen Extrem-Horrors abzugleiten.

Unter den Müllsuchern in den Nine Tails findet ein skrupelloser Agent drei Jugendliche, die für ihn aus dem Talbot-Labor ein paar Ratten stehlen sollen. Ein Impfstoff soll ihnen besondere Kräfte und Unsterblichkeit verleihen - und das brauchen sie in Lukas Hainers „Ratten“ auch, wartet doch eine perfide Falle auf sie.
Nette Zombie-Action, die sich ein wenig zu vorhersehbar anbietet.

Thomas Vaucher entwirft in „bCrown“ ein düsteres Bild einer nahen Zukunft, in der ein technisches Gimmick alle Handys, Pads und Laptops ersetzt hat. Eine Fehlfunktion führt zu chaotische Zuständen.
Keine Zombies, dafür eine deutliche Warnung vor blinder Fortschrittsgläubigkeit.

Alex Lex Wohnhaas „Der Fluch aus dem Amazonas“ erzählt uns in ergreifenden Beschreibungen vom Leiden und Sterben einer Frau. Aus dem Amazonas hat sie eine Erkrankung mitgebracht, die sie und ihren Mann, einem Forscher der alles tut um sie zu heilen, das Leben zerstört…
Eine Geschichte, die sich an klassischen Motiven orientiert, diese aber geschickt aufgreift, variiert und zu einem befriedigenden Abschluss führt.

In Dieter Winklers „Feuervogel“ verfolgen wir mit, wie die Sängerin einer aufstrebenden Band ins Visier eines Stalkers gerät - dumm nur, dass neben dem Musiker, der ihr helfen will, sich auch ein unsterblicher Dämon auf ihre Fährte gesetzt hat.
Ebenfalls keine wirkliche Zombie-Story, aber eine Kurzgeschichte, die spannend zu fesseln weiß.

Tanya Carpenter schließlich entführt uns in „Das gläserne Gefängnis“ in die Stadt des Voodoo, nach New Orleans. Hier, im Big Easy ist ein junger, ehrgeiziger Journalist verschwunden, seine Freundin macht sich auf, ihn in der Voodoo-Szene zu suchen - und wird bereits erwartet…
Tanya Carpenter schließt den Band stimmig mit einer wirklich faszinierenden, atmosphärisch dichten Story um die dunkle Seite der karibischen Magie ab.


Auch diese Anthologie hält wieder, was man sich von einer solchen, von Alisha Bionda zusammengestellten Sammlung verspricht. Gute, teilweise sehr gute Erzählungen, die wunderbar in ein handwerklich liebevoll gestaltetes Buch verpackt wurden.