Charlaine Harris: Vampirgeflüster (Buch)

Charlaine Harris
Vampirgeflüster
(Dead and Gone)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Britta Mümmler
dtv, 2010, Taschenbuch, 348 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 978-3-423-21222-9

Irene Salzmann

Nachdem sich die Vampire geoutet und ihren Platz in einer Welt, die bisher den Menschen vorbehalten war, gefunden haben, wollen die Werwesen nicht zurückstehen. Allerdings scheint die Bevölkerung ihnen noch skeptischer gegenüberzustehen als den Blutsaugern, denn es kommt zu mehreren Übergriffen. Sookies Chef Sam fährt nach Hause, um nach seiner Mutter zu sehen, die nach ihrem Coming Out vom eigenen Ehemann angeschossen wurde.

Notgedrungen muss sich Sookie um die Bar kümmern und einige Freundinnen bitten einzuspringen, da Kollegin Arlene keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegenüber alles Supras machte und im wahrsten Sinne des Wortes das Handtuch warf. Kurz darauf wird in einer Seitenstraße des „Merlotte’s“ die gekreuzigte Leiche von Crystal, Sookies ehemalige Schwägerin – ein Werpanther –, gefunden. Es dauert nicht lange, bis das FBI unbequeme Fragen zu stellen beginnt, und auch von Sookie, die nicht jedem auf die Nase binden möchte, dass sie eine Telepathin ist, hätten die Ermittler gern Antworten in einer bestimmten Angelegenheit. Dabei hat sie schon genug Probleme, denn verschiedene Gruppen zeigen Interesse an ihr. Zwar gelingt es dem Vampir Eric, mit dem sie ein Blutsband teilt, Sookie zu beschützen, aber die junge Frau ist wenig begeistert von seinen Methoden und weiß nicht, ob sie den Preis wirklich zahlen möchte – eine Wahl hat sie jedoch nicht. Obendrein droht ihr Gefahr durch die Feinde ihres Urgroßvaters Niall, denn unter den Elfen herrscht ein erbitterter Krieg, der nun eskaliert …

Wer die „Sookie Stackhouse“-Serie seit Beginn treu verfolgt, erhält mit „Vampirgeflüster“ einen komplexen Roman, der auf Aha-Effekte setzt: Es treten sehr viele bekannte Charaktere auf, es gibt immer wieder Anspielungen auf zurückliegende Ereignisse, mehrere Probleme, große und kleine, bereiten Sookie und ihren Freunden Sorgen. Greift man hingegen erstmals nach einem – diesem – Titel von Charlaine Harris, hat man etwas Mühe, in die Handlung hineinzufinden, da die Autorin trotz kurzer Erklärungen voraussetzt, dass man mit ihrer Welt und dem Beziehungsgeflecht der zahlreichen Protagonisten vertraut ist. Was bei den Fans Erinnerungen an frühere Abenteuer weckt, hemmt für den Neuling den Lesefluss, denn er muss erst einmal halb Bon Temps kennen lernen, selbst wenn die Rollen der Genannten noch so klein sind.

Sookie, in deren Adern Elfenblut fließt, ist der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Sie arbeitet als Kellnerin und verfügt über telepathische Kräfte, die die meiste Zeit eine Last für sie bedeuten. Weder das Coming Out der Vampire noch das der Werwesen war eine Überraschung für sie, da sie bereits von deren Existenz wusste und in ihre Konflikte hinein gezogen wurde. Nun wird ihre nicht gerade heile Welt von schrecklichen Vorkommnissen erschüttert, die einigen Personen aus ihrem Umfeld, darunter auch gute Freunde, das Leben kosten. Sie selber befindet sich in großer Gefahr – können Eric und die Vertrauen ihres Urgroßvaters sie beschützen? Sookie wird manipuliert, gefoltert, schwer verletzt und muss tragische Verluste hinnehmen. Das Buch ist erstaunlich düster, denn die Autorin geht mit ihren Figuren nicht gerade zimperlich um, und nicht für jeden gibt es ein Happy End. Humorige Momente à la „Buffy“ darf man unter diesen Umständen keine erwarten, und selbst die Romantik wirkt eher bitter. Nebenbei erfährt man Näheres über Erics Vergangenheit und die Beziehung von Niall und Jason, Sookies Bruder, was ein neues Licht auf diese Charaktere wirft.

„Vampirgeflüster“ ist relativ in sich abgeschlossen, es werden aber nicht alle Fragen beantwortet und stattdessen die Weichen für das Kommende gestellt. Tatsächlich wirkt die Handlung stellenweise etwas überfrachtet durch die vielen Protagonisten und Konflikte, die nicht in allen Fällen aufgelöst und erst später fortgeführt werden. Will man mehr erfahren, muss man schon die nächsten Bände abwarten beziehungsweise, falls der Funke übersprang, sich die vorherigen Teile besorgen, um sich richtig in Sookies Welt einlesen zu können. Die Buch-Reihe diente als Vorlage für die TV-Serie „True Blood“, die auch auf DVD erhältlich ist.

Vampir-Fans, die auch eine etwas härtere Gangart verkraften können, sollten einen Blick in die „Sookie Stackhouse“-Serie werfen. Vor dem zweifelhaften Idyll einer amerikanischen Kleinstadt, in der praktisch jeder jeden kennt, man miteinander versippt und verschwägert ist, spielen sich die Machtkämpfe der Vampire, Werwesen, Elfen und anderen ab – und die Telepathin Sookie ist mitten drin. Das Liebeskarussell dreht sich regelmäßig, das Blut fließt in Strömen, es liegt so manche Leiche in den Kellern der Nachbarn. Schätzt man Reihen wie Lara Adrians „Midnight Breed“ oder Pamela Palmers „Krieger des Lichts“, dürfte man auch Spaß an Charlaine Harris‘ „Sookie Stackhouse“ haben.