Philip Reeve: Krieg der Städte - Mortal Engines 1 (Buch)

Philip Reeve
Krieg der Städte
Mortal Engines 1
(Mortal Engines, 2001)
Übersetzung: Nadine Püschel und Gesine Schröder
Titelbild: Ian McQue
Tor, 2018, Taschenbuch, 334 Seiten, 12,00 EUR, ISBN 978-3-596-70212-1 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Gunther Barnewald

Die Publikationsgeschichte des vorliegenden Romans in Deutschland ist recht interessant, denn bereits zwei verschiedene Verlage (Beltz & Gelberg (2003) und Ravensburger (2008)) hatten versucht, diese wunderbare Serie (4 Romane, eine Kurzgeschichtensammlung und drei Prequels, zudem gibt es noch Geschichten über die Luftschifferin Anna Fang) in Deutschland zu etablieren, kamen jedoch nie über den ersten Band hinaus, da die Leserschaft dieser intelligenten Future History die Gefolgschaft verweigerte, leider!

Nun versucht es Tor unter dem Rückenwind der Verfilmung von Peter Jackson, die bald in den Kinos anlaufen soll. Hoffentlich wird der Film ein Erfolg, denn dann werden wohl auch endlich einmal die Folgebände hierzulande erscheinen (eine andere, ebenso grandiose Serie des Autors, die „Larklight-Trilogie, erlitt bereits ein ähnliches Schicksal, als der deutsche Ableger des Verlags Bloomsbury beziehungsweise der dazugehörige Berlin Verlag ebenfalls wegen Erfolglosigkeit nach nur zwei Bänden 2007 beziehungsweise 2009 die Trilogie abbrach).

Lediglich die beiden herrlichen Kinderbücher „Schwupp und weg“ und vor allem das überragende „Kekse im Kosmos“ durften 2014 beziehungsweise 2015 bei Dressler erscheinen (hierzu gibt es bisher aber auch keine Fortsetzungen!) und zeugen von den quirlig bunten Ideen des Autors und seiner mitreißenden Erzählweise, die aber scheinbar viele Leser überfordert.

Vielleicht liegt es aber auch an dem hohen Verschleiß von sympathischen Protagonisten, die der Autor schon im ersten, ursprünglich 2001 erschienen Band der Serie um die wandernden Städte an den Tag legt, wobei er nicht nur Menschen über die Klinge springen lässt, sondern (für manchen Leser wohl noch schlimmer!) auch alle involvierten tierischen ”Charaktere”.

Trotzdem ist der nun hier vorliegende erste Band ein einfach genial erdachtes und mit Schmackes erzähltes Buch, das bezüglich seiner Ideen wohl seinesgleichen sucht (und ich bin gespannt, ob die Verfilmung auch so „rücksichtslos“ mit den Protagonisten umgeht, wie dies der Autor in der Vorlage macht; wetten, dass dies nicht der Fall sein wird!).


Der erste Band spielt in einer fernen Zukunft (deutlich nach dem 43. Jahrhundert, welches hier als historisch erwähnt wird) und erzählt von durch die verwüsteten Lande rollenden Städten, deren Bewohner andere wandernde Ortschaften angreifen, einfangen und ausschlachten. Eine Art Darwinismus mit dem Recht des Stärkeren herrscht hier, und zwar nicht nur unter den Städten, sondern auch unter den Menschen. Wer sich nicht wehren kann oder keine Verbündeten hat, wird als Sklave verkauft.

Irgendwann gab es den alles verheerenden „Sechzig-Minuten-Krieg“, in dessen Anschluss sich die Menschen genötigt sahen, ihre Städte mobil zu machen, um immer wieder an neue Ressourcen zu kommen.

In der Zeit des jungen Tom Natsworthy ist auch London eine dieser wandelnden Städte, betrieben von Motoren, über das Land fahrend, um andere Städte zu „verschlingen“. Nachdem man die ehemalige britische Insel leer gefegt hat, wendet sich London dem Festland zu.

Der junge Tom gehört zur Kaste der Historiker, da seine Eltern jedoch früh und arm starben, hat er nur einen sehr untergeordneten Rang.

Eines Tages gelingt es ihm jedoch, den Mordanschlag auf einen bedeutenden Forscher und Ingenieur, Thaddeus Valentine, zu verhindern. Als die junge und von einem Schwerthieb entstellte Hester Shaw versucht, Valentine zu erstechen, stellt er sich ihr in den Weg. Die junge Frau flieht über einen Abfallschacht und Tom ist entsetzt, als Valentine sich nicht bei ihm bedankt, sondern ihn stattdessen ebenfalls in den Schacht wirft.

So finden sich Tom und Hester bald in den Außenlanden wieder, auf sich alleine gestellt, und Tom erfährt bald, welch teuflischer Plan in London ausgeheckt wurde, um die Stadt überleben zu lassen und vielleicht das Schicksal der ganzen zivilisierten Menschheit für immer zu besiegeln...


Die herrlich exotische Atmosphäre, die interessanten Protagonisten und die keine Langeweile aufkommen lassende abwechslungsreiche Handlung, machen den Roman zu einem tollen Lese-Abenteuer. Der innere Spannungsbogen ist straff, packend und saugt den Leser förmlich in die Geschichte, wenn dieser die phantasievollen Prämissen zu schlucken in der Lage ist. Denn fahrende und rollende Städte sind wahrlich ein kühner Welten-Entwurf und als Genre-kundiger Leser fragt man sich unwillkürlich, ob Reeve die berühmten fliegenden Städte seines literarischen Vorgängers James Blish kennt. Wer sich im Genre auskennt, wird auch die hintersinnigen Anspielungen des Autors goutieren, so den nahezu unbesiegbaren Krieger und Verfolger von Hester namens Shrike (Autorenkollege Dan Simmons lässt grüßen) oder die französischen Jeunet-Carot-Aeromotoren, welche an die gemeinsamen Filme der Regisseure Jean-Pierre Jeunet und Marc Caro (unter den Titeln „Delicatessen“ und „Die Stadt der verlorenen Kinder“) erinnern.

Es bleibt zu hoffen, dass Reeves sensationelle Bücher endlich auch in Deutschland auf das Leser-Interesse stoßen, welches ihnen zweifellos gebührt.