Michael Schmidt & Fantasyguide präsentieren: Scherben (Buch)

Michael Schmidt & Fantasyguide präsentieren
Scherben
Titelbild: Detlef Klewer
2018, Paperback, 306 Seiten, 13,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Die Szene lebt. Allerdings könnte man fast ein wenig den Eindruck gewinnen, dass die Liebhaber des Horrors deutlich aktiver unterwegs sind, als die Fans, die sich der Science Fiction oder der Fantasy zugewandt haben. Während Weird-Fiction-Anthologien regelmäßig erscheinen - die „Zwielicht“-Bände seien hier exemplarisch genannt -, es ganze (Klein-)Verlage gibt, die Nachschub am laufenden Band produzieren und auch den deutschsprachigen Autoren eine Plattform für ihre Geschichten bieten, sieht es im Bereich der Fantasy nicht ganz so rosig aus.

Hier schafft das Internetportal Fantasyguide.de ein klein wenig Abhilfe. Wer nun allerdings meint, dass dem Namen des Internetauftritts folgend, in der Anthologie ausschließlich Fantasy-Geschichten auf den Leser warten würden, der sieht sich getäuscht. Der Rezipienten wird die gesamte Bandbreite der Phantastischen Literatur kredenzt - und das ist auch gut so.

Insgesamt warten sechzehn Erzählungen darauf, dass der Leser sich für sie Zeit nimmt. Und letzteres, Zeit sollte man sich für die Beiträge auch nehmen, lohnt es sich doch, die Texte auf sich wirken zu lassen.

Wie wir dies von den Anthologien, die regelmäßig unter der Ägide von Michael Schmidt erscheinen kennen und schätzen, sind die Beiträge sorgfältig redigiert, der Druck nicht zu bemängeln. Stilistisch wie inhaltlich bietet sich dem Interessierten die ganze Bandbreite der Phantastik an.


Mir haben es einige Beiträge besonders angetan.

Gleich zu Beginn wartet ein wahres Schmankerl auf den Leser. Achim Hildebrands „Zeit ist Gold“ stellt uns einen Filou vor, der sich, immerhin ist er ausgebildeter Meuchelsänger, mit Gaunereien und Glücksspiel über Wasser hält. Eines Tages aber überreizt er sein Blatt und landet als angeblicher Alchimist, der Gold machen kann, im Turm des örtlichen Fürsten. Essen gibt es nur, wenn er entweder Gold schaffen kann oder die Geheimnisse seines Ordens, der Meuchelsänger, offenbart. Als er schon glaubt, sein letztes Stündlein habe geschlagen, findet er doch noch einen Trick, sich aus der gefährlichen Situation zu befreien.

Peter Nathschlägers „Das Heerlager der Toten“ greift auf sehr einfühlsame, aber doch eindringliche Art und Weise aktuellste Entwicklungen und Probleme um die Art und Weise, wie wir mit Flüchtlingen aber auch mit der Wahrheit umgehen, auf und führt diese zu einem überraschenden Schluss.

Dass es Frauen - auch und insbesondere in Fantasywelten - schwer haben, sich durchzusetzen und als gleichberechtigt angesehen zu werden, erzählt uns Christel Scheja in „Ein Schwert zu schmieden“.

Uwe Hermanns „Der Geschichtenerzähler“ zeigt uns einen fahrenden Barden, der nicht singt, seine Zuhörer stattdessen mit seiner magischen Zunge verzaubert - nicht immer zum Vorteil derer, die sich um ihn sammeln oder ihn bedrängen.

Den Band beschließt dann eine Kooperation des legendären Ray Bradbury mit dem nicht minder bekannten Forry Ackerman, in der sie uns von der Macht der Musik berichten.


Auffällig ist, dass viele Beiträge von Protagonisten handeln, die der Leser schon aus anderen Veröffentlichungen kennen könnte. Viele der Autoren haben sich für ihre Schöpfungen eine eigene Welt ausgedacht, in die sie mit ihren Storys immer wieder zurückkehren. Dies hat natürlich den Vorteil, dass sie auf einen ausgearbeiteten Hintergrund zurückgreifen können, die Texte daher in sich runder und detailreicher wirken.

Insgesamt gesehen liegt hier eine Anthologie vor, die handwerklich ansprechend die breite Vielfalt der Phantastischen Literatur aufzeigt, dabei keine Scheuklappen anlegt und auf vielfältige Weise zu unterhalten weiß.


Die Geschichten:
Achim Hildebrand: „Zeit ist Gold“
C.M. Dyrnberg: „Die Gewächskirche“
Peter Nathschläger: „Das Heerlager der Toten“
Matthias Ramtke: „Kein Mittelweg“
Andreas Flögel: „Katzen in U-Tortuga“
Nina Horvath: „Bahnfahrt in die Ewigkeit“
Diane Dirt: „Tod eines Wechselbalgs“
Michael Schmidt: „Sommer der Liebe“
Ralf Steinberg: „Rinnsale“
Merlin Thomas: „Vox Populi“
Christel Scheja: „Ein Schwert zu schmieden“
Sascha Dinse: „Scherben“
Uwe Hermann: „Der Geschichtenzähler“
Ralf Kor: „Die Messias-Maschine“
Detlef Klewer: „Herofluenza“
Ray Bradbury & Forrest J. Ackerman: „Die Schallplatte“