Korb, Markus K.: Die Ernten des Schreckens (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 21. Februar 2010 00:00
Markus K. Korb
Die Ernten des Schreckens
Titelbild: Mark Freier
Innenillustrationen: Björn Ian Craig
Atlantis, 2009, Paperback, 200 Seiten, 12,90 EUR, ISBN 978-3-941258-19-8
Von Carsten Kuhr
Markus K. Korb ist mittlerweile ein alter Bekannter. Neben Mitarbeit bei diversen Anthologien, zeichnete er im Blitz Verlag einige Jahre lang für die Reihe »Edgar Allen Poes Phantastische Bibliothek« als Herausgeber verantwortlich, legte daneben in verschiedenen Verlagen immer wieder beredt Beispiel seiner Fabulierkunst in entsprechenden Kollektionen vor. Die zweite derartige Sammlung von Kurzgeschichten und Novellen aus dem Hause Atlantis halten wir nun in Händen.
Und der Autor hat sich eines ungewöhnlichen Themas angenommen. Es geht, gesehen durch die phantastische Brille, um Begegnungen mit dem Krieg. Wer nun annimmt, dass wir packende Military-SF geboten bekommen, oder dass das Bild vom »Landser im Weltall« bemüht wird, der sieht sich, Gott und Korb sei Dank, eines Besseren belehrt. Wie der Autor in seinem Vorwort ausführt, geht es ihm nicht um simple Effekthascherei, sondern darzustellen, dass Krieg als solches viel zu schrecklich ist, als dass man an dieses Thema leichtfertig herangehen könnte. So greift er sich Szenen heraus, die Menschen zu Kriegzeiten zeigen. Menschen, die leben und leiden, Menschen, die über sich hinauswachsen, Menschen, die selbst im Angesicht der Perversion des Krieges menschlich bleiben und handeln. Das ist weit von jedweder Verharmlosung entfernt, das birgt keine Hurra-Mentalität, sondern soll zum Nachdenken anregen, und das tut es.
Nicht immer geht es direkt auf die Schlachtfelder, stehen die Soldaten im Mittelpunkt der Geschichten. Oftmals sind es ja gerade die Zivilisten, die am Meisten unter der Unmenschlichkeit und der Perversion des Kampfes mit allen Mitteln zu leiden haben. Und dies zeigt der Autor zum Teil exemplarisch.
Eröffnet wird der Reigen von einer Story, die in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges angesiedelt ist. US-Truppen und Überbleibsel der Wehrmacht stehen sich an der Westfront gegenüber. Am örtlichen Kirchturm hängt, seit Tagen schon, ein toter amerikanischer Fallschirmspringer. Scharfschützen aus beiden Lagern haben dafür gesorgt, dass eine Rettung, ja eine Bergung der Leiche; nicht möglich ist. Als ein Wehrmachtsangehöriger sich aufmacht, den Toten zu bergen, geht es auch um die Frage, ob die Menschlichkeit letztlich über den Krieg siegen kann.
Es folgt eine kurze Geschichte um die Rettung Schiffbrüchiger im Zweiten Weltkrieg durch ein Geisterschiff – wohl die schwächste der enthaltenen Stories.
Danach begleiten wir einen Verbrecher auf seiner Flucht vor den Cops. Es gelingt ihm doch tatsächlich, dem Sheriff zu entkommen, als er sich dann aber mitten in der Wüste Neu-Mexikos vom gelungenen Überfall ausruhen will, wird er von einem Blitz erleuchtet.
Eine, wenn nicht die intensivste und ergreifendste Geschichte, folgt, als wir einen Juden auf der Fahrt ins KZ begleiten. Zusammengepfercht im Viehwaggon erinnert er sich an seine Jugend im Ersten Weltkrieg. Damals hatte er in den Schützengräben einen Mann kennengelernt, der sein wahres Wesen schon damals offenbart hat. Hätte er damals nur abgedrückt, ihm und der Welt wäre Vieles erspart geblieben.
Atmosphärisch ungeheuer dicht, inhaltlich minutiös recherchiert, führt uns der Autor hier nicht nur in die Schützengräben des Ersten Weltkrieges, sondern zeichnet uns auf wenigen Seiten einen Ich-Erzähler, der ob seiner Menschlichkeit den Leser packt.
In »Eisenfresser« entführt uns der Autor in die Dritte Welt. Hier, abseits der Weltöffentlichkeit, werden Schiffe aus allen Herren Länder, egal ob sie verseucht oder marode sind, von Arbeitern, die eher Sklaven gleichen, verschrottet – bis die Schweißer tief in einem Forschungsschiff der NATO auf eine neuartige Waffe stoßen.
In »Tunnelratten« gehen wir mit den amerikanischen GIs auf die Jagd nach den Vietkong – und finden in deren klaustrophobisch engen Tunnelsystemen weit mehr, als erwartet.
»Die ultimative Waffe« berichtet von einer Zukunft, in der die befriedete Menschheit nur mehr eine einzige Waffe als Museumsobjekt aufbewahrt – eine Waffe, die eventuelle Gewalttäter dazu verleiten soll, einen tödlichen Fehler zu begehen.
»Das Dünenhaus«, »Meister Wieland« (ein geldgieriger Müller streckt sein Mehl auf gar widerliche Art und Weise) und »Der Knochenturm« (zwei Kinder öffnen einen seit dem Mittelalter verschlossenen Turm um in den Gerippen nach Schätzen zu suchen und bezahlen ihre Schatzsuche mit ihrem Leben) sind solide Beiträge, ohne dass sie aus dem bunten Strauß der Beiträge sonderlich herausragen.
Die Novelle »Ins dunkle Herz« schließt den Band ab. Auf den Spuren Joseph Conrads und Henry Rider Haggards folgen wir zwei römischen Legionären im Auftrag Neros auf deren Suche nach den Quellen des Nils und der Unsterblichkeit.
Auch hier überzeugt der Autor neben seiner sehr stimmungsvollen Ausarbeitung der farbenprächtigen Kulisse und der interessanten Figuren durch großes Fachwissen, das unauffällig aber sehr wirksam zur inneren Überzeugungskraft der Geschichte beiträgt.
In den elf im Buch enthaltenen Geschichten zeigt der Autor sein Können zum Teil exemplarisch auf. Stilistisch ansprechend versteht er es immer wieder, seine Figuren mit einigen wenigen Sätzen zu charakterisieren, dabei unauffällig aber deutlich zu dokumentieren, dass Krieg immer das Schlechteste aus den Menschen hervorlockt, dass die Menschlichkeit dabei auf der Strecke bleibt.
Ein wichtiges, ein mutiges und abwechslungsreiches Buch, das jedem Freund anspruchsvoller Phantastik ans Herz gelegt sei.